AquaRichtigs gesammelter Unsinn über …
Wasserenthärtung durch Natriumhydrogencarbonat

Einerseits ist man bei AquaRichtig offenbar der Ansicht, sogenannte Ersatz-Hydrogencarbonate wie Natriumhydrogencarbonat, hätten keinen Einfluss auf das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht, weil sie nicht zum „Kalk-Kohlensäure-Puffer“ beitragen. Anderseits behauptet man, Wasser würde mit Natriumhydrogencarbonat enthärtet werden. Dabei würden nahezu alle Härtebildner aus dem Wasser entfernt werden. Dies führe zu einem akuten Mangel an Calcium und Magnesium.

Letzteres setzt allerdings voraus, dass Ersatz-Hydrogencarbonate wie Natriumhydrogencarbonat einen Einfluss auf das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht haben. Natriumhydrogencarbonat könnte nur dann zur Wasserenthärtung eingesetzt werden, WENN es sich auf das chemische Gleichgewicht des Kalk-Kohlensäure-Gleichgewichts im Wasser auswirkt.

Das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG)

Das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG) ist ein chemisches Gleichgewichtssystem. Es unterliegt folglich den Gesetzmäßikeiten des Massenwirkungsgesetzes. Daraus folgt, dass die Konzentration der am Gleichgewicht beteiligten chemischen Spezies die Lage des chemisches Gleichgewichts des KKG beeinflussen. Diese chemischen Spezies sind die folgenden:

  • Calcium-Ionen
  • Magnesium-Ionen
  • Hydrogencarbonat-Ionen
  • Carbonat-Ionen
  • Kohlensäure
  • Kohlenstoffdioxid
  • Oxonium-Ionen
  • Hydroxid-Ionen

Löslichkeit und Löslichkeitsprodukt von Salzen

Ändert sich die Konzentration mindestens einer dieser chemischen Spezies, verschiebt sich unabdingbar auch das chemische Gleichgewicht des KKG. An das chemische Gleichgewicht ist auch das Löslichkeitsprodukt gebunden. Das Löslichkeitsprodukt bestimmt, ob die wässrige Lösung eines bestimmten Salzes noch mehr dieses Salzes lösen kann (ungesättigte Lösung), kein weiteres Salz mehr gelöst werden kann (gesättigte Lösung) oder ob Salz aus der lösung ausgefällt wird (übersättigte Lösung). Bei ungesättigten und übersättigten Lösungen wird soviel Salz gelöst beziehungsweise ausgefällt, bis die Lösung gesättigt ist und damit im Gleichgewicht ist.

Wird das chemische Gleichgewicht beim KKG weit genug verschoben, manifestiert sich das darin, dass Kalk ausgefällt wird.

Wasser kann tatsächlich mit Natriumhydrogencarbonat enthärtet werden. Vorausgesetzt, die Gesamthärte im Wasser und die verwendete Dosis Natriumhydrogencarbonat sind hoch genug. Die Enthärtung mittels Natriumhydrogencarbonat erfolgt dadurch, dass durch Zugabe einer entsprechenden Menge Natriumhydrogencarbonat die Löslichkeit von Calciumcarbonat (Kalk) überschritten wird. Zusammengefasst wird dabei das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht so verschoben, dass Kalk ausgefällt wird.

AquaRichtig über Wasserenthärtung durch Natriumhydrogencarbonat

Bei AquaRichtig will man offenbar zum Ausdruck bringen, mit Natriumhydrogencarbonat könne ein Wasser vollständig enthärtet werden. Die dabei von AquaRichtig vertretene Ansicht, Natriumhydrogencarbonat würde das Wasser nicht härter, sondern sogar weicher machen, stützt sich insbesondere auch das Internetangebot www.chemieunterricht.de. Die Frage, ob man Wasser mit Natriumhydrogencarbonat aufhärten könne, wartet man mit der folgenden Antwort auf:

„Hier können wir nur mit einem deutlichen „Nein“ antworten, denn Natriumhydrogencarbonat macht laut der Literatur das Wasser weicher und wirkt sich basisch auf den pH Wert des Wassers aus“

„Außerdem weiss man, dass Nariumhydrogencarbonat das Wasser nicht aufhärtet, sondern tatsächlich weicher macht“„Natriumhydrogencarbonat reichert das Wasser mit Hydrogencarbonat an und fällt Calcium und auch Magnesium Ionen aus“

„Das Wasser wird nicht härter, sondern tatsächlich weicher“

„Ein Unvorgang ist der versuch das Wasser (KH) mit Natriumhydrogencarbonat auf zu härten, weil die Wahl des Mittels grundsätzlich falsch ist, (sagt auch Prof. Blume – Link oben) da mit Zugabe die Härtebildner sofort, schlagartig zum Teil ausgefällt werden“

„Prof. Blume, der klar sagt, dass nicht jedes Hydrogencarbonat zum aufhärten geeignet ist, wird hier auch ignoriert“.

Natriumhydrogenkarbonat zum aufhärten der Karbonathärte oder doch nicht?

AquaRichtig unterliegt hier dem eigenen Missverständnis des Wasserhärtebegriffs, denn die sachlogisch gemeinte Gesamthärte wird mit Natriumhydrogencarbonat tatsächlich nicht erhöht. Das soll aber auch so sein.

AquaRichtig ignoriert hier abermals, dass der Begriff Karbonathärte nicht im Sinne der eigentlichen Karbonathärte oder temporären Härte, sondern im Sinne der Pufferkapazität oder des Säurebindevermögens zu verstehen ist.

Prof. Blume sagt an anderer Stelle übrigens noch ganz andere Sachen:

„Versuch 13. Leitungswasser enthärten

Zu vor bestimmen wir die Härte unseres Leitungswassers, beispielsweise durch komplexometrische Titration. Anschließend werden in weiteren 100 ml Leitungswasser etwa 5 g Kaisernatron gelöst. Wir titrieren erneut. Ergebnis. Die Wasserhärte hat sich um die Hälfte verringert. Kaisernatron bindet tatsächlich die härtebildenden gelösten Calcium-und Magnesium-Salze, indem sie mit diesen einen schwerlöslichen Niederschlag bildet. Das geschieht aber nicht an den Heizstäben, sondern überall in der Lösung; deshalb bleiben diese sauber.

Ca2+ + 2 HCO3––– > CaCO3 + H2O +CO2

Je mehr Kaisernatron man zu gibt, desto effektiver ist die Enthärtung (Für Kenner. Das Enthärten hat mit dem Le Chatelier-Prinzip zur verschiebung von Lösungsgleichgewichten sowie mit dem Löslichkeitsprodukt zu tun. Auf der Bindung von Calcium-Ionen beruht ja letztlich auch der Nachweis von Kohlenstoffdioxid mit Kalkwasser!). Den Effekt der Wasserenthärtung beobachtet man übrigens auch bei Zusatz von Soda. Das ist nicht verwunderlich, da Kaisernatron und Soda miteinander „verwandt“ sind. Die Soda setzt man deshalb Waschmitteln zu“.

Prof. Blumes Tipp des Monats April 2003 (Tipp-Nr.70) Chemie mit Kaisernatron

Prof. Blume nennt hier mit 5 Gramm auf 100 Milliliter eine gut 100fach höhere Dosis von Natriumhydrogencarbonat zur Wasserenthärtung, als zum Anheben der Pufferkapazität im Aquarium eingesetzt wird. Hier werden 3 Gramm Natriumhydrogencarbonat auff 100 Liter Wasser eingesetzt, um die KH um 1°d anzuheben. Auch auf die Konzentrations – oder Dosierungsabhängigkeit der Enthärtung wird ausdrücklich hingewiesen. AquaRichtig verkennt genau diesen quantitativen Aspekt der Wasserenthärtung mit Natriumhydrogencarbonat.

Führt die Anhebung der KH durch Natron zu vollständiger Enthärtung?

„[Calcium und Magnesium] sind in Weichwasseraquarien ohnehin schon gering genug gehalten und vorhanden“.

Gerade in Weichwasser wird durch das Löslichkeitsprodukt die Löslichkeit von Calciumcarbonat mit der Zugabe von realistischen Dosen NaHCO3zur Anhebung der KH um einige wenige Grade nicht überschritten, weil ohnehin nur sehr wenig davon gelöst ist. Daher es kommt auch nicht zur Ausfällung von Härtebildner in Form ihrer Carbonate. Die findet nur dann statt, wenn entsprechend viele Härtebildner gelöst sind, es sich schon um hartes bis sehr hartes Wasser mit gleichsam bereits hoher echter Karbonathärte handelt. Bei genau solchen Wässern kommt Natron in entsprechend hoher Dosis mit deutlichem Überschuss als Hausmittel zur Wasserenthärtung zum Einsatz. Da solche harten Wässer auch gut gepuffert sind, erübrigt sich die Anhebung der Pufferkapazität ⁄ des Säurebindevermögens ⁄ der Karbonathärte mittels Natron oder Soda von vornherein. Die Behauptung von AquaRichtig Calcium und Magnesium Mangel seien durch die Anhebung des SBV durch Natriumhydrogencarbonat vorprogrammiert! ist daher ebenfalls irrig.

Selbst bei der Wasserenthärtung mit der chemischen Brechstange durch starke Basen wie Natronlauge oder Kalkmilch (Calciumhydroxid-Lösung) erfolgt keine vollständige Enthärtung. Erhöht man den pH-Wert durch Zugabe von Natronlauge in den deutlich zweistelligen Bereich, werden alle Carbonat-Spezies (Hydrogencarbonat, Kohlensäure und Kohlenstoffdioxid) in Carbonat umgesetzt. Es liegen von den am Kalk-Kohlesäure-Gleichgewicht beteiligen Carbonat-Spezies (CO2, H2CO3, HCO3, CO32-) folglich praktisch nur noch Carbonat-Ionen im Wasser vor. Die Löslichkeit von Calciumcarbonat bei Abwesenheit von Kohlensäure beträgt 14 mg/l bei 20°C. Dies entspricht einer Calcium-Konzentration von 0,14 mmol/l. Ein Grad deutscher Gesamthärte entspricht etwa 0,18 mmol/l Calcium-Ionen. Selbst wenn Wasser durch Verschieben der Löslichkeit von Calciumcarbonat soweit wie nur irgend möglich enthärtet wird, verbleibt also noch immer eine Resthärte von knapp 1°dGH. Biotope mit solch weichem Wasser sind zwar eher die Ausnahme als die Regel, kommen in den natürlichen Verbreitungsgebieten einer ganzen Reihe von Aquarienbewohnern (vulgo Aquarichtig: exotische Aquarienfische und -pflanzen) aber durchaus vor. Bei AquaRichtig kommt es also in diesem Wasser zu Calciummangel, weil das Wasser zu weich ist und im Aqarium bei einer Gesamthärte über 10°d GH zu Zellschäden, weil das Wasser zu hart ist.

AquaRichtigs Unsinn über …
Ersatzhydrogencarbonate

Ein weiteres Argument von AquaRichtig gegen den Einsatz von Natriumhydrogencarbonat zur Wasseraufbereitung im Süßwasseraquarium ist, dass Natriumhydrogencarbonat nur ein „Ersatz-Hydrogencarbonat“ sei:

„Wasserwerte bleiben stabil wenn Calcium und Magnesiumhydrogencarbonate vor liegen und ausreichend CO2 im Wasser ist. Wasser mit Ersatz-Hydrogencarbonaten ist eine Gefahr.“

„Aufhärte-Salze müssen zwingend aus Calcium, Magnesium und Kalium bestehen und nicht aus Ersatz-Hydrogencarbonaten.“

„Leider sind bei Aufhärte-Salzen selten Inhalts-Angaben zu finden, sondern es wird pauschal Hydrogencarbonat deklariert. Die handelsüblichen KH-Test messen nur Hydrogencarbonat, egal ob echtes Hydrogencarbonat aus Calcium und Magnesium, oder Natrium und Kalium.“

[Natriumhydrogenkarbonat zum aufhärten der Karbonathärte oder doch nicht?]

Die von AquaRichtig verwendete Wortschöpfung Ersatz-Hydrogencarbonate vermittelt dem Leser den Eindruck, es gäbe neben den „Ersatz-Hydrogencarbonaten“ auch „echte Hydrogencarbonate“. Im aquarichtigschen Begriffsverständnis sind echte Hydrogencarbonate offenbar die Hydrogencarbonate der Gesamthärte bildenden Erdalkalimetalle wie Calcium- oder Magnesiumhydrogencarbonat. Die Hydrogencarbonate der Alkalimetalle wie Natriumhydrogencarbonat sind dagegen dann offenbar die Ersatzhydrogencarbonate.

Die Hydrogencarbonate der Erdalkalimetalle lassen sich unter Alltagsbedingungen allerdings nicht als Feststoff erzeugen und existieren hier ausschließlich als Ionen in wässriger Lösung. Es gibt daher keine Pulver aus Erdalkalimetall-Hydrogencarbonaten wie Calciumhydrogencarbonat, die man dem Wasser zugeben könnte.

Calciumhydrogencarbonat und Magnesiumhydrogencarbonat entsteht im Wasser durch Kohlendioxid (C02) [sic!] wobei Kohlensäure entsteht

Zweck dieses Absatzes ist offenbar darzustellen, wie die Entstehungsreaktion von Calcium- beziehungsweise Magnesiumhydrogencarbonat verläuft. Demnach sähe die Reaktionsgleichung für Calciumhydrogencarbonat Ca(HCO3)2 folgendermaßen aus:

  • 3 CO2 + 3 H2O ↔ Ca(HCO3)2 + H2CO3 +2 H+

Die Darstellung ist allerdings unvollständig. Sie ist außerdem stöchiometrisch nicht ausgeglichen, weil die Edukte nicht vollständig genannt sind (aus welcher Verbindung stammt das Calcium hier? Wodurch werden die Ladungen der beiden entstehenden H+ ausgeglichen?) und zudem sachlich auch noch falsch (Kohlensäure ist kein Produkt, sondern ein Edukt der Reaktion. Sie selbst entsteht aus der Reaktion von CO2 mit Wasser). Richtig ist: Calciumhydrogencarbonat und Magnesiumhydrogencarbonat entstehen, wenn sich Calcium- und Magnesiumcarbonat durch die Reaktion mit Kohlensäure im Wasser lösen. Die Kohlensäure entsteht durch die Reaktion von Kohlenstoffdioxid mit Wasser, wobei die Stoffmengen-Konzentration der Kohlensäuren sich dabei proportional zur Kohlenstoffdioxid-Konzentration verhält. Etwa 0,2% des gelösten Kohlenstoffdioxid reagieren zu Kohlensäure.

  • CO2 + H2O ↔ H2CO3
  • CaCO3 + H2CO3 ↔ Ca(HCO3)2

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