AquaRichtigs gesammelter Unsinn über… Pflanzenernährung – Ist Nitrat essentiell für (Wasser)pflanzen? Teil 3: Ammonium vs. Nitrat

Bei AquaRichtig behauptet man weiterhin steif und fest, dass Wasserpflanzen Nitrat über Ammonium als Stickstoffquelle bevorzugen, wozu man dazu allerlei vermeintliche Belege heranzerrt. So zitiert man unter anderem einzelne Sätze aus Schulze/Beck/Müller-Hohenstein (2002) und vom Internetauftritt des Forschungsprogramms PLANT 2030 am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie. Die Aussagen beziehen sich aber vermutlich auf terrestrische Pflanzen, wie aus dem Kontext beider Publikationen hervorgeht.

Da man bei AquaRichtig offenbar gern einzelne opportune Sätze zitiert, die vermeintlich apodiktisch die einzige Wahrheit in Gänze abbilden, möchte ich dem gleichtun und die Frage, ob Wasserpflanzen nun Ammonium oder Nitrat als Stickstoffquelle bevorzugen, zumindest vorläufig allein auf diesem Wege beantworten.

„Many species of aquatic macrophytes prefers NH4+ over NO3 as a N-source, possibly because of the lower energy needed for its uptake and assimilation, and because of the prevalence of NH4–N in water-saturated anoxic soils […]“.

Jampeetong et al. (2012): Effects of inorganic nitrogen forms on growth, morphology, nitrogen uptake
capacity and nutrient allocation of four tropical aquatic macrophytes (Salvinia
cucullata, Ipomoea aquatica, Cyperus involucratus and Vetiveria zizanioides)
.

Ich bevorzuge aber dabei, den wissenschaftlichen Kenntnisstand abzubilden und nicht bloß aus der Gesamtbefundlage einzelne, handverlesene, genehme Sätze herauszupicken, die meiner persönlichen Weltsicht in der Frage entsprechen.

Dass viele Wasserpflanzen Ammonium als Stickstoffquelle bevorzugen bedeutet auch nicht, dass eine ausschließliche Ernährung mit Ammonium stattfindet.
Die womöglichen Nachteile einer ausschließelichen N-Versorgung mit Ammonium greifen also nicht zur Widerlegung dieser Tatsache.

AquaRichtig über Ammoniak und pH >7

Bei AquaRichtig wird Ammonium offenbar nur bei pH-Werten unter 7,0 zu Nitrit oxidiert[. Tatsächlich liegt das Maximum der Nitrifikationsleistung für Nitrifizierer der Gattungen Notrosomonas und Nitrobacter zwischen etwa pH 7,5 und 9,5, wie aus zahlreichen mikrobiologischen Publikationen hervorgeht. Die Zahlen mögen im einzelnen etwas abweichen, in der Gesamtbetrachtung behält die Aussage aber ihre Gültigkeit.

Obwohl es das vom pH-Wert abhängige Dissoziationsverhalten von Ammonium und Ammoniak unbestreitbar gibt, scheint für AquaRichtig der alkalische pH-Wert nicht nur eine notwendige, sondern bereits die allein hinreichende Bedingung für gefährliche Ammoniak-Konzentrationen im Aquarium zu sein. Dem ist aber nicht so. Denn dazu bedarf es zwingend auch entsprechend hoher Gesamt-Ammonia-Konzentrationen. Im Regelbetrieb kommt es aber aufgrund der Nitrifikation nicht dazu. Ausnahmen wie ein katastrophales Versagen der Filterung zähle ich gerade nicht zum Regelbetrieb.

Ich filtere übrigens alle meine – angeblich ja nicht vorhandenen – Aquarien mit luftbetriebenen Schwammfiltern. Zum Teil in ihrer Bauart an den HMF angelehnt, zum Teil als selbstgebaute Glucker-Filter mit Schaumstoffpatronen für Motor-Innenfiler, zum Teil als handelsübliche Schwammfilter. Da ist nichts mit Ammoniak-Problemen wegen vertopfter Filterschwämme.

AquaRichtigs gesammelter Unsinn über… Pflanzenernährung – Ist Nitrat essentiell für (Wasser)pflanzen? Teil 2: Stickstoffassimilation

Die Stickstoffassimilation ist nach der Fotosynthese wohl einer der bedeutendsten Vorgänge im Pflanzenstoffwechsel. Die wichtigsten Teilprozesse der Stickstoffassimilation sind dabei die Nitratsassimilation und die Ammoniumassimilation. Bei der Ammoniumassimilation findet die Synthese organischer Stickstoffverbindungen aus anorganischem Stickstoff aus Ammonium statt. Die Nitratassimilation erfolgt ausschließlich dann, wenn von der Pflanze Stickstoff in Form von Nitrat aufgenommen wird. Dabei wird Nitrat zu Ammonium reduziert. Anschließend wird Ammonium im Zuge der Ammoniumassimilationzur Synthese von Asparagin und Glutamin verwendet. Diese bilden die Aussgangsstoffe zur Synthese aller von der Pflanze benötigten organischen Stickstoffverbindungen, von der einzelnen Aminosäure bishin zu – unter anderem – Proteinen, Enzymen und Chlorophyll.

Bei AquaRichtig sieht man das aber offenbar anders und meint sinngemäß, dass Pflanzen auf Ammonium im Stoffwechsel gänzlich verzichten können und stattdessen Nitrat essentiell für sie sei. Begründet wird dies unter anderem dadurch, dass Stickstoff im Pflanzenstoffwechsel angeblich in Form von Nitrat verwendet wird:

„Die Reduzierung von Ammonium zu Nitrat [sic!] hat seinen [sic!] Sinn, denn Nitrat ist ein wichtiger Bestandteil vieler Biosynthesen“.

Oxidation und Reduktion

Die Aussage ist schon allein deshalb unsinnig, weil nicht Ammonium zu Nitrat, sondern Nitrat zu Ammonium reduziert wird. Das ergibt sich aus der Oxidationsstufe des Stickstoffatoms in der jeweiligen Verbindung. Im Nitrat-Ion beträgt sie +V, im Ammonium-Ion -III. Reduktionen sind definiert als Vorgänge der Elektronenaufnahme. Die Oxidationsstufe des Stickstoffatoms muss folglich kleiner oder negativer beziehungsweise weniger positiv werden. Was bei einer Änderung von -III im Ammonium-Ion nach +V im Nitrat-Ion eben genau nicht gegeben ist – im umgekehrten Fall aber schon.

Es müsste entweder Die Oxidation von Ammonium zu Nitrat oder aber Die Reduktion von Nitrat zu Ammonium heißen. Insgesamt also „Die Reduzierung von Nitrat zu Ammonium hat ihren Sinn, denn Ammonium ist ein wichtiger Bestandteil vieler Biosynthesen“. Dann passt es sogar zu den tatsächlichen Abläufen der Stickstoffassimilation von Pflanzen.

Zwischenbilanz

Wir halten also fest: Ammonium wird nicht zu Nitrat reduziert, sondern oxidiert. Nitrat wird dagegen zu Ammonium reduziert. Pflanzen reduzieren folglich Nitrat zu Ammonium, bevor der Stickstoff darin zur Synthese organischer N-Verbindungen genutzt werden kann. Pflanzen können ausschließlich Ammonium zur Biosynthese organischer Stickstoffverbindungen nutzen. Sie können allerdings Ammonium aus anorganischen N-Verbindungen wie Nitrat oder Harnstoff gewinnen. Weiterhin können Pflanzen auch Ammonium nicht zu Nitrat oxidieren, weil die dazu erforderlichen Enzyme Ammoniummonooxygenase und Hydroxylamin-Oxidoreduktase nur bei Prokaryoten vorkommen. Also in Kurzform: Nur bei Bakterien wie den Nitrifizierern.

An anderer Stelle im aquarichtigschen Text können Destruenten aber auf einmal doch Ammoniak […] über Nitrit zu Nitrat oxidieren. Dass Ammonium zu Nitrat reduziert wird, ist also chemisch grundfalsch!

chemische Nomenklatur

AquaRichtig führt auch an anderer Stelle Vergleichbares auf:

„Nitrat ist Bestandteil von vielen organischen Verbindungen wie Proteinen, Nukleinsäuren, Aminosäuren, Nukletoiden und ein Mangel zieht viele Bereiche des Stoffwechsels in Mitleidenschaft“.

Aminosäuren heißen auch Aminosäuren, weil ihre charakteristischen funktionellen Gruppen die organische Säuregruppe R-COOH und die Amino-Gruppe R-NH2 (primäre Amine) oder R-NH-R (sekundäre Amine) sind. Würde hier Nitrat oder auch Nitrit eingebaut, fände sich statt der Aminogruppe eine Nitro-Gruppe R-NO2. Folglich müsste es nicht Aminosäure sondern Nitrosäure heißen. Auch bei den anderen Pflanzenanaboliten im Primärstoffwechsel findet sich keine derartige Verbindung.

Stickstoff als Nitrat und Ammonium im pflanzlichen Stoffwechsel

Dass in irgendwelchen Biosynthesen im Pflanzenstoffwechsel Nitrat genutzt wird, ist mir unbekannt. Mangels näherer Erläuterungen von AquaRichtig bleibt aber auch ungeklärt, welche das konkret sein sollen. Jegliche mir geläufigen Synthesewege für organische Stickstoffverbindungen basieren auf der Amininierung, dem Einbau von Ammonium in Kohlenstoffskelette. Sei es unmittelbar aus mineralischem Ammonium oder durch Transaminierung bereits organisch gebundener Amino-Gruppen. Mineralisches Ammonium kann zwar durch die Reduzierung von Nitrat gewonnen werden. Letztlich ist es aber für die weiteren Schritte unerheblich, ob das verwertete Ammonium direkt aus der Umwelt aufgenommen oder durch Reduzierung von aufgenommenen Nitrat oder Spaltung von Harnstoff gewonnen wurde.

Hätte AquaRichtig hier Stickstoff oder aber Ammonium an Stelle von Nitrat geschrieben, wäre die Aussage sogar richtig. Denn keine organische Stickstoffverbindung, welche von Pflanzen im Zuge der Stickstoffassimilation synthetisiert wird, ist ein Nitrat- oder Nitritderivat. Im Gegenteil, jegliche organische Stickstoffverbindung, welche von Pflanzen synthetisiert wird, erhält ihren Stickstoff aus Ammonium in Form einer Aminogruppe.

Die Behauptung, Nitrat werde von Pflanzen für viele Biosynthesen wie für Proteine, Nukleinsäuren und so weiter verwendet, ergibt also auch im Hinblick auf die chemische Nomenklatur keinen Sinn. Zunächst ist hier ohnehin auf die Synthese organischer Stickstoffverbindungen aus anorganischem Stickstoff zu begrenzen. Denn sie ist der Ausgangspunkt für die Synthese aller übrigen organischen Stickstoffverbindungen im Pflanzenstoffwechsel. Anorganischer Stickstoff wird immer aus Ammonium gewonnen und als Asparagin- und Glutaminsäure respektive Asparagin und Glutamat in organischer Form fixiert. Alle weiteren organischen Stickstoffverbindungen werden aus diesen ebenfalls organischen Stickstoffverbindungen synthetisiert. Zumindest werden an keiner Stelle im Pflanzenstoffwechsel andere Aminosäuren oder beispielsweise Proteine, Nukleinsäuren, Enzyme oder Chlorophyll direkt aus anorganischem Stickstoff synthetisiert. Schon gar nicht direkt aus Nitrat. Ansonsten darf man mir gerne erläutern, wo das der Fall sein soll.

Zwischenbilanz

Auch im Hinblick auf die chemische Nomenklatur, der Eigenschaften der betreffenden organischen Stickstoffverbindungen und der Stoffwechselwege von Ammonium und Nitrat ergibt die Behauptung, Nitrat sei essentiell für Pflanzen, mit der Begründung, dass es für die Synthese verschiedenster organischer Stickstoffverbindungen verwendet wird, keinen Sinn. Anorganischer Stickstoff mag zwar artabhängig vornehmlich oder praktisch ausschließlich in Form von Nitrat von der Pflanze aufgenommen werden. Letztlich landet der Stickstoff aber zunächst immer als reduziertes Ammonium im weiteren Stoffwechsel.

Nitrat- und Ammonium-Assimilation

AquaRichtig führt an, dass es natürlich auch eine Ammonium-Assimilation gebe, es aber um Wasserpflanzen ginge, denen in der Regel Nitrat im Überfluss zur Verfügung steht. Eine solche Aussage ergibt nur dann Sinn, wenn die sie äußernde Person annimmt, dass Nitrat- und Ammonium-Assimilation voneinander unabhängige Prozesse sind. Was sie aber gerade nicht sind. Zwar kann die Ammonium-Assimilation stattfinden, ohne dass zuvor eine Nitrat-Assimilation stattgefunden hat. Und zwar dann, wenn Ammonium schon aus der Umwelt aufgenommen wird und damit konsequenterweise nicht erst zu Ammonium reduziert werden muss. Nitrat-Assimilation kann aber nie ohne Ammonium-Assimilation stattfinden. Nitrat kann zwar aus der Umwelt aufgenommen werden, ohne unmittelbar verstoffwechselt zu werden, da es im Gegensatz zu Ammonium gespeichert werden kann. Das ist aber keine Nitrat-Assimilation. Allein diese Aussage zeigt mir, dass man bei AquaRichtig kein globales Verständnis der gegenständlichen Prozesse hat, sondern bestenfalls einzelne, zusammenhanglose Puzzleteile kennt.

sorgfältigste Recherche

In diesem Zusammenhang will ich auch noch auf eine weitere Äußerung von AquaRichtig in besagtem Artikel eingehen:

„Den von mir angeblich unterschlagenen Link zur Ammonium-Assimilation suchte ich allerdings vergeblich auf den Uni-Seiten“.

Wer wie AquaRichtig angibt, sorgfältigste wissenschaftliche Recherchen für seine Artikel zu betreiben, der sollte auch wirchlich sorgfältigst, unter anderem auch in einer vielzahl von Quellen recherchieren. Im Zusammenhang mit Recherchen zum Stickstoffhaushalt von Pflanzen sollte man dabei auch unweigerlich auf den grundlegenden Stoffwechselweg von Stickstoff in Pflanzen treffen. Egal ob nun auf Botanik online der Universität Hamburg oder anderswo. Auf besagtem Internetangebot der Universität Hamburg finden sich nämlich die folgenden Ausführungen:

„Woher stammt nun der Stickstoff? Pflanzen nehmen ihn in Form von Nitrat, in geringem Umfang auch in Form des Ammoniumions auf. Nitrat wird in einem ersten Schritt zu Nitrit reduziert. In einem zweiten Schritt muss Nitrat zum Ammoniumion weiterreduziert werden. Freie Ammoniumionen sind für jede Zelle toxisch, sie müssen daher schnellstmöglich abgefangen werden. Der quantitativ wichtigste Weg dürfte bei grünen Pflanzen über die NADP+ – abhängige Glutamat-Dehydrogenase-Reaktion laufen. Damit wären wir bereits bei der ersten Aminosäure und hätten einen Einstieg zur Besprechung der Glutamatfamilie. Zuvor sollte noch eine zweite Alternative genannt werden. Das Glutamat selbst kann ein weiteres Ammoniumion binden und wird so in die Aminosäure Glutamin überführt. Auch diese Reaktion läuft in den Chloroplasten ab“.

Biologie online: Biosynthesen – Aminosäuren

Anscheinend interessiert es AquaRichtig offenbar auch nicht, dass auf den unumstößlichen Seiten der Universität Hamburg an anderer Stelle außerdem Folgendes zu finden ist:

„Pflanzen verwerten Stickstoff fast nur in Form von Ammonium- und Nitrationen. In organischer Substanz wird Stickstoff vornehmlich zur Bildung von Aminogruppen (in Proteinen, Nukleinsäuren usw.) benötigt“.

Biologie online: Stoffkreisläufe – Kreislauf des Stickstoffs

AquaRichtigs gesammelter Unsinn über… Pflanzenernährung – Ist Nitrat essentiell für (Wasser)pflanzen? Teil 1: Elemente und Verbindungen

Auf den Seiten von AquaRichtig wird im Artikel Nitrat ist wichtig für Pflanzen, nicht nur im im Aquarium die These vertreten, Nitrat sei essentiell für Pflanzen.

Aus den Ausführungen bei AquaRichtig geht nicht eindeutig hervor, was man mit der Behauptung, Nitrat sei essentiell für Pflanzen, überhaupt meint. Das heißt, auf welche pflanzenphysiologischen Prozesse man sich dabei bezieht.

Meint man, dass Nitrat essentiell ist, weil Pflanzen keine andere Stickstoffverbindungen als Quelle dieses essentiellen Nährelements nutzen können, oder meint man, Nitrat sei aufgrund spezifischer Eigenschaften für Pflanzen aus anderen, nicht näer genannten Gründen essentiell?

Denn auf welche konkreten pflanzenphysiologischen Prozesse und Zusammenhänge AquaRichtig diese steile These, Nitrat sei essentiell für Pflanzen und könne nicht durch andere Elemente (gleich eigentlich Verbindungen?) ersetzt werden, stützt, verrät man nicht. Zu AquaRichtig und den pflanzenphysiologischen Erkenntnissen Julius Sachs' habe ich mich bereits an anderer Stelle geäußert. Kurzgefasst widersprechen bereits diese über 100 Jahre alten Erkenntnisse der aquarichtigschen These.

Im Grunde ist daher jede Gegenrede nur ein Stochern im Nebel, solange AquaRichtig keine eindeutige, nachvollziehbare und überprüfbare These und Argumente formuliert, die überhaupt konkret analysiert werden können. Wir kennen nämlich im Grunde nur das Ergebnis der aquarichtigschen Argumentation, die These, Nitrat sei essentiell für Pflanzen. Wie man aber dort zu diesem Urteil kommt – und ich hoffe doch, dass es ein Urteil, also das Ergebnis eines krtisch-rationalen Denkprozesses, ist – können wir aber anhand verstreuter Indizien nur mutmaßen.

Nitrat kann nicht durch andere Elemente ersetzt werden

Laut AquaRichtig könne Nitrat nicht durch andere Elemente [sic!] ersetzt werden. AquaRichtig basiert diese These auf ein – mittlerweile nur noch archiviert verfügbares – Dokument auf dem Intetnetangebot des biologischen Instituts der Universität Hamburg. Das Dokument ist Teil eines ehemaligen didaktischen Projektes, welches allem Anschein nach von Prof. Peter von Sengbusch unter dem Titel „Botanik online“ ins Leben gerufen und von ihm bis im Jahre 2002 gepflegt und verwaltet wurde. Dabei ist die folgende Passage offenbar zentraler Anknüpfungspunkt für AquaRichtigs These:

„Die versuche von Julius Sachs ergaben, dass die Kationen Kalium, Calcium, Magnesium und in geringen Mengen Eisen(II)(oder Eisen (III)) sowie die Anionen Sulfat, Hydrogenphosphat (oder Phosphat) und Nitrat für das Wachstum und das überleben der Pflanzen essentiell sind. Hinzu kommen Sauerstoff, Kohlendioxyd und Wasserstoff, die der Luft, respektive dem Wasser entnommen werden (Atmung, Photosynthese). Das Fehlen eines dieser Elemente kann nicht durch Überschuss eines anderen (ihm chemisch nahestehenden) kompensiert werden. So kann beispielsweise Kalium weder durch Lithium, Natrium noch durch Rubidium ersetzt werden“.

Botanik online Ionen und kleine Moleküle – Nährsalze

Elemente und Verbindungen

Die Formulierung dieser Elemente im von AquaRichtig referenzierten Text bezieht sich auf die Aufzählung im vorhergehenden Satz des zitierten Textes. In der Aufzählung werden unglücklicherweise sowohl chemische Elemente wie Calcium, Magnesium und Kalium, als auch chemische Verbindungen wie Sulfat (SO42-), Phosphat (PO43-) und Nitrat (NO3) genannt.

Diese führt zu einer semantischen Vermengung der Begriffe Nährelement und Nährstoff beziehungsweise chemisches Element und chemische Verbindung. Die Behauptung „Nitrat kann nicht durch andere Elemente ersetzt werden“ ergibt also schon deshalb keinen Sinn, weil Nitrat überhaupt kein (chemisches) Element ist, sondern eine chemische Verbindung.

Nährstoffe sind chemische Verbindungen beispielsweise Sulfat (SO42-), Phosphat (PO43-) und Nitrat (NO3), welche das benötigte Nährelement beispielsweise Schwefel (S), Phosphor (P) und Stickstoff (N) enthalten und für die Pflanze als Quelle des zum Leben nötigen Elements verwertbar sind.

Die Textbasis, die Kernaussage der Passage lautet folglich

„Das Fehlen der Elemente Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen, Sulfat, Phosphat, Nitrat, Sauerstoff, Kohlendioxyd oder Wasserstoff kann nicht durch Überschuss eines anderen – auch nicht eines chemisch ähnlichen – Elements kompensiert werden“.

AquaRichtig stellt hier auf die Passagen Die Versuche ergaben, dass Nitrat für das Wachstum und das Überleben der Pflanzen essentiell ist und Das Fehlen eines dieser Elemente kann nicht durch überschuss eines anderen (ihm chemisch nahestehenden) kompensiert werden ab.

Nun lässt sich zwar aus dem Wortlaut der Passage die Aussage „Nitrat ist ein chemisches Element“ und damit auch „das chemische Element Nitrat kann nicht durch ein anderes Element ersetzt werden“ ableiten. Nitrat ist aber kein chemisches Element, sondern eine chemische Verbindung.

Die Aussage wird in besagter Textstelle mit dem Beispiel konkretisiert, dass Kalium weder durch Lithium, Natrium noch Rubidium ersetzt werden kann. All diese Elemente sind wie Natrium Alkalimetalle. Die Passage Das Fehlen eines dieser Elemente kann nicht durch überschuss eines anderen (ihm chemisch nahestehenden) kompensiert werden. So kann beispielsweise Kalium weder durch Lithium, Natrium noch durch Rubidium ersetzt werden bedeutet folglich am konkreten Beispiel: Das Alkalimetall Kalium kann in seiner pflanzenphysiologischen Funktion nicht durch ihm chemisch nahestehende Elemente – d. h. andere Alkalimetalle – ersetzt werden.

Allgemein formuliert, bedeutet „chemisch nahestehende Elemente“ daher Elemente der selben Gruppe des Persiodensystems. Beim Kalium sind das die Elemente der ersten Gruppe des Periodensystems, die Alkalimetalle, mit Ausnahme des Wasserstoffs.

Analog bedeutet das, dass für Stickstoff „chemisch nahestehende Elemente“ die anderen Elemente der 15. Gruppe (Stickstoffgruppe) des Persiodensystems der Elemente sind. Also Phosphor, Arsen, Antimon und Bismut. Das Elememt Stickstoff kann in seiner pflanzenphysiologischen Funktion damit nicht durch Phosphor, Arsen, Antimon oder Bismut ersetzt werden. Es kann aber sehrwohl in Form verschiedener Stickstoffverbindungen von Pflanzen genutzt werden.

Zwischenbilanz

AquaRichtig kennt offenbar nicht den Unterschied zwischen einem chemischen Element und einer chemischen Verbindung beziehungsweise analog zum pflanzenphysiologischen Pondon zwischen einem Nährelement und einem Nährstoff.

Bei der Zielgruppe des Internetangebots der Universität Hamburg wird aber vermutlich davon ausgegangen, dass sie die Passage aufgrund ihres Hintergrundwissens trotz deren unglücklicher Formulierung inhaltlich richtig erfassen können. Nämlich zum einen zu erkennen, dass Nitrat (sowie Hydrogenphosphat, Phosphat, Sulfat und Kohlendioxyd) eine chemische Verbindung und kein chemisches Element ist. Damit zum anderen, dass die Aussage kann nicht durch andere (chemisch nahestehende) Elemente ersetzt werden sich auch nur auf chemische Elemente bezieht und damit nicht für chemische Verbindungen wie Nitrat gilt. Weiterhin, dass Pflanzen Stickstoff auch in Form anderer anorganischer (wie Ammonium) Verbindungen nutzen können.

In soweit, wie ein Nährelement in seiner physiologischen Funktion nicht durch ein anderes, chemisch nahe verwandtes (beispielsweise Kalium durch ein anderes Alkalimetall) ersetzt werden kann, ist die These AquaRichtigs korrekt. In sofern, dass nicht jede Verbindung eines Nährelements auch als Pflanzennährstoff ist, ist die These ebenfalls so richtig wie trivial.

So können Pflanzen die häufigste Stickstoffverbindung der Umwelt, den gasförmigen, elementaren Luftstickstoff, regulär nicht als Stickstoffquelle nutzen. In soweit, dass aber Pflanzen Stickstoff allein aus Nitrat gewinnen können, ist die These irrig.

AquaRichtig klammert sich hier krampfhaft am Wortlaut einer Formulierung fest. Diese trägt zwar daraus die propagierte These. Diese Aussage steht aber im Widerspruch zur Wirklichkeit – denn Nitrat ist wie Kohlenstoffdioxid, Sulfat oder Phosphat eine chemische Verbindung und kein chemisches Element – und auch im Widerspruch zu Aussagen an anderer Stelle in Botanik online.

Auch wenn Nitrat eine wichtige Stickstoffquelle für Pflanzen ist, können sie Stickstoff sehrwohl auch aus anderen Verbindungen gewinnen. Möglicherweise kann AquaRichtig aber unabhängig dieser Fakten andere bahnbrechende Erkenntnisse liefern, wieso Nitrat essenziell (oder doch „nur“ wichtig?) für Pflanzen sein soll.

Die endogene Stickstoffquelle für Pflanzen ist zudem immer Ammonium, unabhängig von der exogenen Stickstoffquelle. Stickstoff wird von Pflanzen zur Synthese organischer Stickstoffverbindungen also immer als Ammonium verwendet. Andere anorganische Stickstoffverbingen – das heißt konkret Nitrat oder Harnstoff – werden dazu zunächst immer erst zu Ammonium reduziert. Näheres dazu im zweiten Teil der Artikelreihe Sowohl Nitrat als auch Ammonium bergen spezifische Vor- aber auch Nachteile als Stickstoffquelle für Pflanzen.

AquaRichtigs Unsinn über…
Löslichkeit und Giftigkeit von Ammoniak

AquaRichtig meint, dass die Giftigkeit des Ammoniaks für unsere Fische (auch Mikroorganismen und Pflanzen) damit zusammen hängt, dass Ammoniak besonders gut in Wasser gelöst wird. Besonders bei Zimmertemperatur, wie diese in etwa in unseren Aquarien gegeben ist, sei die Löslichkeit des Ammoniak immens hoch, weil sich eine zigfache Menge an Ammoniakgas zu der Literzahl des Wassers daraus entwickeln könne. [].

Die Giftigkeit einer Substanz wird unter anderem an ihrer toxikologisch wirksamen Dosis oder Konzentration gemessen. Dabei ist die Giftigkeit einer Substanz umgekehrt proportional zu ihrer toxikologisch wirksamen Dosis oder Konzentration. Eine Substanz ist also um so giftiger, je niedriger die erforderliche Dosis oder Konzentration ist, mit der ihre Gitftwirkung einhergeht.

Der Verweis auf die gute Löslichkeit von Ammoniak in Wasser impliziert, dass auch immer hohe Ammoniak-Konzentrationen darin gelöst ist. Die von hergestellte Verknüpfung zwischen guter Löslichkeit und Giftigkeit impliziert die Aussage, dass Ammoniak giftig für Wasserorgansimen ist, weil es aufgrund seiner guten Löslichkeit immer in hoher Konzentration im Wasser vorliegt und in hohen Konzentrationen giftig wirkt. Damit wäre es aber gerade eher wenig giftig. Ammoniak wirkt aber bereits in recht niedrigen Konzentrationen deutlich < 1 mg⁄l giftig auf Wasserorganismen. Die akut und chronisch giftig wirkenden Konzentrationen hängen neben der betreffenden Art allerdings auch von anderen Variablen wie unter anderem dem pH-Wert, dem Sauerstoffgehalt und der Temperatur ab. Bei AquaRichtig sind im gegenständlichen Beitrag übrigens keinerlei Konzentrationen oder Grenzwerte aufgeführt.

Die Löslichkeit von Ammoniak in Wasser hängt von der Temperatur ab

Zumal die Löslichkeit einer Substanz in einem Lösemittel nicht damit gleichzusetzen istt, dass deshalb auch immer eine hohe Konzentration dieser Substanz darin gelöst vorliegt. Kohlendioxid ist im Vergleich zu anderen Luft-Gasen in Wasser ebenfalls besonders gut löslich. Dennoch ist seine Konzentration darin nur unter bestimmten Bedingungen höher als die der anderen Luftgase. Kochsalz ist mit etwa 350 Gramm pro Liter ebenfalls gut bis sehr gut in Wasser löslich. Würde die Löslichkeit allein über die tatsächliche Konzentration im Wasser bestimmen, wäre der Salzgehalt der Meere zehnmal höher, als er tatsächlich ist und es gäbe kein Süßwasser.

Die Aussage, dass besonders bei Zimmertemperatur die Löslichkeit […] des Ammoniak immens hoch sei, impliziert eine Löslichkeitsanomalie dieses Stoffs. Ammoniak wäre dann sowohl bei höheren als auch niedrigeren Temperaturen als Raumtemperatur (˜ 21° C) schlechter in Wasser löslich. Die Löslichkeit eines Gases in Wasser ist aber (unter anderem) umgekehrt proportional zur Temperatur. Gase sind also um so besser in flüssigem Wasser löslich, je niedriger dessen Temperatur ist. Die Gesetzmäßigkeiten der Löslichkeit von (idealen) Gasen in Flüssigkeiten werden im Henry-Gesetz beschrieben. Sowohl für Ammoniak als auch Kohlendioxid gilt das Henry-Gesetz beim Lösemittel Wasser nur eingeschränkt, weil beide Gase mit dem Lösemittel reagieren.

Bei Normaldruck von 1000 hpa oder 1 bar lösen sich bei 0° C 880 Gramm, bei 20° C 530 Gramm und bei 40° C gut 340 Gramm Ammoniak in einem Liter Wasser. Die Löslichkeit von Ammoniak in Wasser nimmt also wie erwartet mit steigender Temperatur ab. Die außerordentlich gute Löslichkeit von Ammoniak in Wasser ist darin begründet, dass es sich bei Ammoniak wie bei Wasser um ein Dipol-Molekül handelt. Ammoniak ist aber nicht nur ein (di)polares Molekül, es werden zudem Wasserstoffbrücken zwischen Ammoniak und Wasser ausgebildet.

Stoffmengenvolumen von Gasen und Flüssigkeiten

Die Löslichkeit eines Gases in Wasser lässt sich auch nicht daran festmachen, dass das Volumen des Gases um ein Vielfaches größer ist, als das Wasservolumen, in dem es gelöst ist. Dass das Stoffmengenvolumen eines Gases um ein Vielfaches größer ist, als das Stoffmengenvolumen des Wassers, in dem es gelöst ist, ergibt sich bereits daraus, dass es sich beim Wasser nicht um ein Gas, sondern um eine Flüssigkeit handelt. Ein Mol eines Gases nimmt unter Standardbedingungen (20° C, 1000 hPa) ein Volumen von etwa 24,5 Litern ein. Ein Gas muss also unter Standardbedingungen nur etwas zu mehr als einem 1/24,5stel Mol in einem Liter Wasser löslich oder gelöst sein, damit das Gasvolumen größer ist als das Wasservolumen, in dem es gelöst ist. Dass das Volumen der im Wasser gelösten Stoffmenge eines Gases um ein zigfaches größer ist, als das Wasservolumen, in welchem diese gelöst ist, ist also keine große Kunst. Zudem die Konzentrationen eines in Wasser gelösten Gases und das Stoffmengenvolumen des Gases unmittelbar zusammen. Löst sich eine große Stoffmenge eines Gases in einem Liter Wasser, ist auch Stoffmengenvolumen dieses Gases entsprechend groß. Pro gelösten Mol Gas pro Liter Wasser 24,5 Liter unter Standardbedingungen.

Insgesamt scheint man bei AquaRichtig ein rechts sonderbare Verständnis des Begriffs „Löslichkeit“ zu haben.

Ich behaupte nicht, dass man bei AquaRichtig tatsächlich dieser Auffassungen ist. Das ist, wie aus den als Erörterungsgrundlage herangezogenen, zitierte Textpassagen hervorgeht, nicht ausdrücklichen Wortes der Fall. Sie ergeben sich aber sachlogisch aus dem tatsächlichen Wortlaut. Denn die von AquaRichtig getätigten Äußerungen über Löslichkeit und Giftigkeit von Ammoniak ergeben in Anbetracht der tatsächlichen Eigenschaften dieser Sachverhalte nur dann Sinn, wenn man bei AquaRichtig diesen irrige Auffassungen unterliegt.

AquaRichtigs Unsinn über …
Reduzierung von Ammonium zu Nitrat als wichtiger Bestandteil vieler Biosynthesen

Bei AquaRichtig faselt man nicht zum ersten mal etwas davon, dass die Reduzierung von Ammonium zu Nitrat durchaus ihren Sinn habe, denn Nitrat ist ein wichtiger Bestandteil vieler Biosynthesen[1]. Auch in der quadzillionsten Wiederholung werden diese Behauptungen aber nicht richtiger.

Oxidation, Reduktion und Redoxreaktion

Zunächst ein paar wichtige chemische Grundlagen:
Eine Oxidation ist eine chemische Reaktion, bei der ein Atom Elektronen abgibt. Seine Oxidationszahl wird dabei um die Zahl der abgegebenen Elektronen erhöht. Eine Reduktion ist eine chemische Reaktion, bei der ein Atom Elektronen aufnimmt. Seine Oxidationszahl sinkt dabei um die Zahl der aufgenommen Elektronen. Da beide Reaktionen zeitgleich stattfinden müssen, wird auch von Redoxreaktionen gesprochen.

Die Oxidationsstufe des Stickstoffatoms in Nitrat-Ion NO3 ist +V, im Ammoinium-Ion NH4+ -III. Es besteht also eine Differenz von acht Elektronen e. Um von der Oxidationsstufe +V zu -III zu gelangen, muss das Stickstoff-Atom acht Elektronen aufnehmen, es wird also von +V zu -III reduziert. Nitrat wird folglich zu Ammonium reduziert, nicht oxidiert.

Stickstoff-Assimilation

Anorganischer Stickstoff wird von Pflanzen und Mikroorganismen insbesondere in Form von Ammonium und Nitrat aufgenommen und zur Synthese organischer Stickstoffverbindungen genutzt. Nitrat muss dazu zunächst energieaufwändig enzymkatalytisch zu Ammonium reduziert werden.

Reduktion von Nitrat zu Ammonium

  1. NO3 + NADH + H+ -Ferrodoxin-Nitrat-Reduktase→ NO2+ NAD+ + H2O
  2. NO2 + 8 H+ -Ferrodoxin-Nitrit-Reduktase→ NH4+ + 2 H2O

Wird Ammonium direkt aufgenommen, entfällt der vorherige Schritt, der weitere Ablauf ist identisch:

Fixierung von Ammonium-Stickstoff in Glutamat

  1. Glutamat + NH4+ + ATP -Glutamat-Ammonium-Ligase→ Glutamin + ADP + P
  2. Glutamin + 2-Oxoglutarat + e− -Glutamat-Synthase→ 2 Glutamat

Tatsache ist also, dass Nitrat sowohl von Pflanzen als auch Mikroorganismen zuerst zu Ammonium reduziert werden muss, damit sein Stickstoff für die anschließende Assimilation in organische Verbindungen überhaupt genutzt werden kann. Die Assimilation von Ammonium-Stickstoff in organische Verbindungen betrachtet man bei AquaRichtig zudem als Entgiftung, nicht als Nutzung.

Preisfrage für AquaRichtig: Wieso heißt das Enzym, welches die Fixierung von anorganischem Stickstoff in die organische Stickstoff-Verbindung Glutamin katalysiert, Glutamat-Ammonium-Ligase und nicht Glutamat-Nitrat-Ligase?

Belegstellen, weiterführende Literatur und externe Links

AquaRichtigs gesammelter Unsinn über…
Hirschhornsalz zur Düngung von Aquarienpflanzen

Im Artikel Hirschhornsalz zur Düngung von Wasserpflanzen im Aquarium kann man sich bei AquaRichtig nicht nur nicht entscheiden, welche chemischen Verbindungen sich denn nun hinter der Trivialbezeichnung Hirschhornsalz verbergen, sondern verwechselt es auch noch mit Ammoniak.

„Hirschhornsalz besteht aus Ammoniumcarbonat, [das] auch Ammoniumcarbamat, oder Ammoniumhydrogencarbonat genannt [wird]“.

Man könnte es auch so formulieren: „Hirschhornsalz besteht aus Ammoniumcarbonat. Ammoniumcarbonat wird auch Ammoniumcarbamat oder Ammoniumhydrogencarbonat genannt“. Folgerichtig handelt es sich dabei also der Satzlogik nach um ein und dieselbe chemische Verbindung. Dem ist aber nicht so.

Die von AquaRichtig verwendete Formulierung Hirschhornsalz (Ammoniumhydroxid) impliziert eine Synonymiät beider Begriffe. Hirschhornsalz ist bei AquaRichtig somit offenbar wahlweise:

  • Ammoniumcarbonat (NH4)2CO3
  • Ammoniumhydrogencarbonat NH4HCO3
  • Ammoniumcarbamat NH4NH2COO

oder

  • Ammoniumhydroxid „NH4OH“ / NH4+ + OH

Dabei handelt es sich jeweils um unterschiedliche chemische Verbindungen mit unterschiedlichen Eigenschaften, deren Gemeinsamkeit darin besteht, Derivate von Ammonium beziehungsweise Ammoniak zu sein. Die Eigenschaften einer Verbindung können nicht beliebig auf eine andere übertragen werden, wie man es bei AquaRichtig aber tut. Es handelt sich schon gar nicht um Synonyme ein und der selben chemischen Verbindung.

Bei AquaRichtig meint man, ich sei des lesens nicht richtig mächtig, weil ich meine, dass Hirschornsalz bei [AquaRichtig] wahlweise Ammoniumcarbonat, Ammoniumhydrogencarbonat, Ammoniumcarbamat oder Ammoniumhydroxid ist. Man führe dort lediglich gebräuchliche Bezeichnungen für Hirschhornsalz an. Vielleicht sollte man mal die eigenen Formulierungen darauf prüfen, ob ihr Aussagegehalt auch der beabsichtigen Aussage entspricht.

Bei AquaRichtig geht man des Weiteren davon aus, dass beim Lösen von Hirschhornsalz in Wasser Ammoniumhydroxid entsteht.

„Hirschhornsalz reagiert in Wasser sofort zu gesundheitsschädlichem Salmiakgeist (Ammoniumhydroxid) und schädigt Flora und Fauna“.

Auch das ist schlicht grober Unfug, ebenso reagiert Hirschhornsalz nicht als sehr starke Base korrosiv. Angeblich besagen andere Datenblätter, dass das im Hirschhornsalz enthaltene Ammoniumcarbonat krebserregend, erbgutschädigend, fortpflanzungsbeeinträchtigend und einiges mehr[] sei. Aber wohl nicht in diesem Universum. Weder Hirschhornsalz noch seine Konstituenten sind CMR-Stoffe.

Hirschhornsalz ist ein Gemisch der Ammoniumsalze Ammoniumcarbonat, Ammoniumhydrogencarbonat, Ammoniumcarbamat zu veränderlichen Anteilen. Das ist auch so dem Wikipedia-Eintrag zu entnehmen, auf den man bei AquaRichtig verweist. Weder Hirschhornsalz als Gemisch noch die darin enthaltenten chemischen Verbindungen wurden oder werden als stark wassergefährdend und hochgiftig für Wasserorganismen[] eingestuft.

Beim Lösen von Hirschhornsalz oder seiner Komponenten in Wasser entsteht (abseits geringer Anteile bei der Gleichgewichtsreaktion von Ammonium) kein „Ammoniumhydroxid“ oder Salmiakgeist, sondern nur eine wässrige Lösung von Hirschhornsalz. Die Salze zerfallen beim Lösen in Wasser in ihre jeweiligen Ionen:

    (NH4)2CO3 → 2 NH4+ + CO32- (aq)
    Ammoniumcarbonat + Wasser 2 Ammonium-Kationen + Carbonat-Anion
    NH4HCO3 + H2O NH4+ + HCO3 (aq)
    Ammoniumhydrogencarbonat + Wasser Ammonium-Kation + Hydrogencarbonat-Anion
    NH4NH2CO2 + H2O NH4+ + NH2CO2 (aq)
    Ammoniumcarbamat + Wasser Ammonium-Kation + Carbamat-Anion

Ammonium hat zudem eine gewisse Pufferwirkung, so dass sich zwischen Carbonat und Hydrogencarbonat sowie Ammonium und Ammoniak eine Gleichgewichtsreaktion etabliert.

    HCO3 + OH CO32- + H2O
    NH3 + H2O NH4+ + OH

Ob beim Lösen von Hirschhornsalz in Wasser eine stark alkalische Lösung entsteht, kann mittels simplen pH-Test überprüft werden. Eine stark alkalische Reaktion wäre hier die Folge der von AquaRichtig postulierten Entstehung von Ammoniumhydroxid.

    NH3 + H2O → NH4+ + OH
    Ammoniak-Gas + Wasser → Ammoniumhydroxid (aq)

Diese stark alkalische Reaktion (pH-Wert deutlich im zweitelligen Bereich >10) ist beim Lösen von Hirschhornsalz in Wasser nicht beobachtbar. Schon gar nicht kommt es bei den Dosierungen, wie sie zur Düngung im Aquarium angewandt werden, zu einem merklichen pH-Wert Anstieg im Aquariumwasser. Stattdessen reagiert die Lösung von Hirschhornsalz, bedingt durch die enthaltenen Carbonat/Hydrogencarbonat-Ionen und der Pufferwirkung von Ammonium, leicht alkalisch mit einem pH-Wert um 8-9. Im Aquarium tritt bei sachgerechter Dosierung von höchstens einstelligen Milligramm Hirschhornsalz pro Liter Wasser keine Veränderung des pH-Wertes oder eine sonstige negative Wirkung auf Wasserorganismen auf.

Die Eigenschaft von Ammoniumhydroxid (Salmiakgeist), stark alkalisch zu reagieren und daher stark wassergefährdend zu sein, ist nicht auf Ammonium(hydrogen)carbonat / Ammoniumcarbamat (Hirschhornsalz) übertragbar und damit auch als Argument gegen die Verwendung von Hirschhornsalz zur Stickstoffdüngung der Pflanzen im Aquarium irrelevant. Ammoniaklösung ist zudem bedingt dadurch, dass nur verhältnismässig wenig Ammoniak mit Wasser zu „Ammoniumhydroxid“ reagiert, Salmiakgeist also nur eine sehr kleine Dissoziationskonstante aufweist, eine schwache Base. Auch die von AquaRichtig beschriebene Reaktion beim Lösen von Hirschhornsalz in Wasser findet nicht statt. Erst bei Erhitzen oder bei Zugabe starker Basen (z. B. Natronlauge) entsteht aus einer wässrigen Lösung von Hirschhornsalz Ammoniak. Abgesehen vom ständig fortschreitendne Prozess der Umwandlung von Ammoniumcarbonat zu Ammoniumhydrogencarbonat, bei dem ebenfalls kontinuierlich Ammoniak in geringen Mengen frei wird. Davon rührt auch der schwache Geruch von Hirschhornsalz nach Ammoniak her.

„Besonders nicht wenn man weiß wie das Hirschhornsalz in Wasser reagiert […]“

Ebenso wie bei Natriumhydrogencarbonat ist es auch beim Hirschhornsalz bei AquaRichtig, wo man nicht weiß, was chemisch mit diesem im Aquarienwasser geschieht. So verweist man bei auf die Giftigkeit für Fische:

„Fischtoxizität LC50 37 mg/l/96 h (Pimephales promelas) […] Pimephales promelas, die Elritze ist schon ein relativ großer Fisch gegen unsere kleinen Salmler, oder gar die Mikroorganismen“.

Was nichts daran ändert, dass die Konzentration um mindestens den Faktor 100 höher ist, als die aus der Anwendung als Stickstoffdünger im Aquarium resultierende Konzentration. Und: Ja, die Dosis respektive Konzentration macht das Gift. Pimephales promelas ist auch nicht die heimische Elritze (Phoxinus phoxinus) sondern die amerikanische Dickkopfelritze (Fathead Minnow). Gibt es als xanthistische Form der „Goldelritze“ regelmäßig im Handel, meist als Teichfische. Man kann die Art aber durchaus im unbeheizten Zimmeraquarium halten.

Bloße spekulative Andeutungen, wie sie von AquaRichtig im Bezug auf toxikologische Kenndaten für andere Fische und Mikroorganismen fomuliert werden, führen in der Sache nicht weiter und stellen keine Argumente dar. Saubere Argumente würden konkrete Daten samt Beleg aus belastbarer Quelle enthalten.

Die hier wie auch an anderen Stellen von AquaRichtig implizirte Behauptung, dass sich Giftwirkung und Größe eines Lebewesens antiproportional verhalten, ist in dieser Pauschalität schlicht irrig. Bei AquaRichtig nimmt man offenbar an, dass Organismen bei umso kleineren Dosen/Konzentrationen Vergiftungserscheinungen zeigen, je kleiner sie sind beziehungsweise je höhere Dosen/Konzentrationen ertragen, desto größer sie sind. Toxikologische Daten zur Giftigkeit von Cyanwasserstoff für die menschliche Kopflaus und den Menschen stellen dies aber eindrücklich als Denkfalle des menschlichen Hausverstands dar.

Zusätzlich ist für die Toxizität von Ammoniumsalzen in wässriger Lösung auch das vom pH-Wert abhängige Dissoziationsgleichgewicht zwischen relativ ungiftigem Ammonium und stark giftigem Ammoniak zu berücksichtigen. Je niedriger (saurer) der pH-Wert, desto mehr nimmt der Anteil des harmloseren Ammoniums zu.

„Tatsachen sind, dass durch die Düngung mit Hirschhornsalz kleine Neons verendeten, ob durch die Entstehung von Salmiakgeist oder Ammoniak, sei hier dahin gestellt“.

Stellungsnahme zu den Ausfuehrungen des Dennis-Furmanek

Wenn es sich dabei um Tatsachen handelt, dann können doch auch die näherne Umstände konkret benannt werden, damit die Tatsachenbehauptung auch nachvollziehbar ist. Prinzipiell das beschriebene Szenario auch nicht grundsätzlich unplausibel, aber konkret als Argumente gegen die (sachgemäße!) Anwendung von Hirschhornsalz zur Stickstoffdüngung im Aquarium gemünzt so wie vorgebracht nicht beweiskräftig. Ohne die konkreten Umstände des beschriebenen Vorfalls (Dosierung / Konzentration, Rahmenbedingungen etc. pp.) zu kennen, ist eine Beurteilung ohnehin schwierig. Die Bürde, diese Umstände darzulegen, liegt bei AquaRichtig.

Wer bei der Stickstoffdüngung mit Hirschhornsalz nach dem Motto „viel hilft viel“ vorgeht und seine Fische dadurch vergiftet, ist natürlich selbst schuld an dieser Misere. Missbrauch wertet den sachgerechten Gebrauch nicht ab. Möglicherweise liegt auch ein logischer Fehlschluss des Schemas „danach ist deswegen“ vor.

OPffenbar tut man sich bei AquaRichtig schwer, Sachverhalte bezüglich ihres Kontextes richtig einzuordnen:

„Wenn dieser schon Professor Blume als Referenz für seine Gegendarstellung verwendet so zitieren wir diesen auch hier, weil dessen Aussage keine andere als unsere ist!“

Stellungsnahme zu den Ausfuehrungen des Dennis-Furmanek

Im Dokument „Ammoniak aus Hirschhornsalz“ von Prof. Blume geht es um die Entstehung von Ammoniak beim Erhitzen von Hirschhornsalz. Hirschhornsalz zerfällt ab etwa 60° C zu Wasser, Kohlensstoffdioxid und Ammoniak. Auf dieser Gasbildung beim Erhitzen (Backen!) basiert auch seine Anwendung als Backtriebmittel für Flachgebäck.

Hirschhornsalz in Wasser zu lösen somit etwas anderes, als es zu erhitzen. Nur offenbar nicht bei AquaRichtig. Ammoniak reagiert mit Wasser zu Ammonium- und Hydroxid-Ionen, Hirschhornsalz aber nicht.

Nachtrag 05.09.2012

Mittlerweile hat man nach dem gewohnten großen Gezeter bei AquaRichtig die Behauptung entfernt, Ammoniumcarbonat sei krebserregend, erbgutschädigend, fortpflanzungsbeeinträchtigend und einiges mehr. Auch die Behauptung, beim Lösen von Hirschhornsalz in Wasser entstände Salmiakgeist wurde entfernt. Gleiches gilt für die irreführende Formulierung, wonach Ammoniumcarbonat, Ammoniumhydrogencarbonat und Ammoniumcarbamat Synonyme der selben chemischen Verbindung wären. Wenn jetzt noch die Behauptung korrigiert würde, Ammonium sei nicht direkt pflanzenverfügbar, weil es erst entgiftet (= in organische Stickstoffverbindungen eingebaut) werden müsse, wäre mal was geschafft. Denn die beschriebene Entgiftung durch Synthese von u. a. Glutamat ist genau die direkte Nutzung durch die Pflanze. Direkt deshalb, weil Ammonium dazu im Gegensatz zu Nitrat nicht zuvor energieaufwendig zu Ammonium reduziert werden muss.

Vielleicht sollte man bei AquaRichtig langsam merken, dass meine Kritik an sachlichen Unrichtigkeiten in den veröffentlichten Texten doch nicht bloß dazu da ist, das Unternehmen zu dikreditieren, diffamieren, zu verleumden, als dumm und unwissend hinzustellen und so weiter – sondern weil da bei AquaRichtg einfach mal einiges behauptet wird, das schlicht nicht stimmt. Abstruses Verhalten ist höchstens, so eine vällig alberne Ausrede als Entschuldigung dafür zu präsentieren, solchen Unsinn zu veröffentlichen.

Wenn man vorher noch auf das große Zetermordio-Geschrei verzichtet und sich damit – durch weitere Äußerungen, die zum bestehenden Unsinn noch neuen Unsinn auftragen – die Texte völlig zerschießt, könnte es doch noch was werden. Um die Diskussion voran zu bringen, wäre es auch hilfreich, wenn man bei AquaRichtig auf die zahlreichen argumentativen Totgeburten verzichten würde. Im Hinblick auf den bulimischen Umgang mit Informationen ohne Hintergrund und Zusammenhang bei AquaRichtig ist das aber auch wieder nicht verwunderlich.

Referenzen, weiterführende Literatur und externe Links

  1. Eisenbrand, G. & Schreier, P. (2006): RÖMPP Lexikon Lebensmittelchemie. Georg Thieme-Verlag, Stuttgart, New York. 2. Auflage. ISBN: 978-3-13-736602-7
  2. AquaRichtig ltd. & Co. KG (2012): Hirschhornsalz zur Düngung von Wasserpflanzen im Aquarium (abgerufen am 27.08.2012) mhtml-WebArchiv
  3. AquaRichtig ltd. & Co. KG (2012): Stellungsnahme zu den Ausfuehrungen des Dennis-Furmanek (abgerufen am 30.08.2012) mhtml-WebArchiv
  4. Sicherheitsdatenblatt Ammoniumcarbonat >e; 30 &percent;

externe Verweise auf Diskussionsfäden in Foren und Newsgroups:

AquaRichtigs Unsinn über …
plötzlichen Fischtod durch Lungenödeme

Ein weiteres Schmankerl aquarichtigscher Kompetenz ist die Behauptung in Ammoniak im Aquarium, dass von Ammoniak verursachte […]Lungenödeme für plötzlichen Fischtod verantwortlich seien.

Nun führt Ammoniak zwar tatsächlich zu Lungenödemen. Jetzt aber die Preisfrage: Wie viele Fischarten verfügen über Lungen? Ja, es gibt da beispielsweise die Lungenfische oder Dipnoi oder die Flösselhechte und -aale. Nur sind diese wenigen Arten aber weder für alle Knochenfische noch für Aquarienfische repräsentativ, dass eine derartige Verallgemeinerung zulässig wäre.

Die Tatsache, dass Fische regulär über Kiemen atmen, sollte wohl auch bei AquaRichtig bekannt sein. Das lernst man aber wohl nicht beim Studium der Heilpraktik. Ein Paradebeispiel aquarichtigscher Sachkompetenz.

Lassen Sie sich also von AquaRichtig kein X für ein U vor machen, weil man dort meint, bei jedem Thema seinen Senf dazugeben zu müssen, obwohl man davon bisher noch nie etwas hörte und um mitreden zu können mal schnell googelt, um dann mit Quellen und halb verstandenem Inhalt auf zu warten[1]. Vielleicht meint man aber auch, dass die Fische verhungern, weil die Pflegeperson an einem durch Ammoniak aus dem Aquarium verursachten Lungenödem gestorben ist.