Im Artikel Hirschhornsalz zur Düngung von Wasserpflanzen im Aquarium
kann man sich bei AquaRichtig nicht nur nicht entscheiden, welche chemischen Verbindungen sich denn nun hinter der Trivialbezeichnung Hirschhornsalz verbergen, sondern verwechselt es auch noch mit Ammoniak.
„Hirschhornsalz besteht aus Ammoniumcarbonat, [das] auch Ammoniumcarbamat, oder Ammoniumhydrogencarbonat genannt [wird]“.
Man könnte es auch so formulieren: „Hirschhornsalz besteht aus Ammoniumcarbonat. Ammoniumcarbonat wird auch Ammoniumcarbamat oder Ammoniumhydrogencarbonat genannt“. Folgerichtig handelt es sich dabei also der Satzlogik nach um ein und dieselbe chemische Verbindung. Dem ist aber nicht so.
Die von AquaRichtig verwendete Formulierung Hirschhornsalz (Ammoniumhydroxid)
impliziert eine Synonymiät beider Begriffe. Hirschhornsalz ist bei AquaRichtig somit offenbar wahlweise:
- Ammoniumcarbonat (NH4)2CO3
- Ammoniumhydrogencarbonat NH4HCO3
- Ammoniumcarbamat NH4NH2COO
oder
- Ammoniumhydroxid „NH4OH“ / NH4+ + OH–
Dabei handelt es sich jeweils um unterschiedliche chemische Verbindungen mit unterschiedlichen Eigenschaften, deren Gemeinsamkeit darin besteht, Derivate von Ammonium beziehungsweise Ammoniak zu sein. Die Eigenschaften einer Verbindung können nicht beliebig auf eine andere übertragen werden, wie man es bei AquaRichtig aber tut. Es handelt sich schon gar nicht um Synonyme ein und der selben chemischen Verbindung.
Bei AquaRichtig meint man, ich sei des lesens nicht richtig mächtig
, weil ich meine, dass Hirschornsalz bei [AquaRichtig] wahlweise Ammoniumcarbonat, Ammoniumhydrogencarbonat, Ammoniumcarbamat oder Ammoniumhydroxid
ist. Man führe dort lediglich gebräuchliche Bezeichnungen für Hirschhornsalz an
. Vielleicht sollte man mal die eigenen Formulierungen darauf prüfen, ob ihr Aussagegehalt auch der beabsichtigen Aussage entspricht.
Bei AquaRichtig geht man des Weiteren davon aus, dass beim Lösen von Hirschhornsalz in Wasser Ammoniumhydroxid entsteht.
„Hirschhornsalz reagiert in Wasser sofort zu gesundheitsschädlichem Salmiakgeist (Ammoniumhydroxid) und schädigt Flora und Fauna“.
Auch das ist schlicht grober Unfug, ebenso reagiert Hirschhornsalz nicht als sehr starke Base korrosiv
. Angeblich besagen andere Datenblätter, dass das im Hirschhornsalz enthaltene Ammoniumcarbonat krebserregend, erbgutschädigend, fortpflanzungsbeeinträchtigend und einiges mehr
[➚] sei. Aber wohl nicht in diesem Universum. Weder Hirschhornsalz noch seine Konstituenten sind CMR-Stoffe.
Hirschhornsalz ist ein Gemisch der Ammoniumsalze Ammoniumcarbonat, Ammoniumhydrogencarbonat, Ammoniumcarbamat zu veränderlichen Anteilen. Das ist auch so dem Wikipedia-Eintrag zu entnehmen, auf den man bei AquaRichtig verweist. Weder Hirschhornsalz als Gemisch noch die darin enthaltenten chemischen Verbindungen wurden oder werden als stark wassergefährdend und hochgiftig für Wasserorganismen
[➚] eingestuft.
Beim Lösen von Hirschhornsalz oder seiner Komponenten in Wasser entsteht (abseits geringer Anteile bei der Gleichgewichtsreaktion von Ammonium) kein „Ammoniumhydroxid“ oder Salmiakgeist, sondern nur eine wässrige Lösung von Hirschhornsalz. Die Salze zerfallen beim Lösen in Wasser in ihre jeweiligen Ionen:
(NH4)2CO3 → 2 NH4+ + CO32- (aq)
Ammoniumcarbonat + Wasser → 2 Ammonium-Kationen + Carbonat-Anion
NH4HCO3 + H2O → NH4+ + HCO3– (aq)
Ammoniumhydrogencarbonat + Wasser → Ammonium-Kation + Hydrogencarbonat-Anion
NH4NH2CO2 + H2O → NH4+ + NH2CO2– (aq)
Ammoniumcarbamat + Wasser → Ammonium-Kation + Carbamat-Anion
Ammonium hat zudem eine gewisse Pufferwirkung, so dass sich zwischen Carbonat und Hydrogencarbonat sowie Ammonium und Ammoniak eine Gleichgewichtsreaktion etabliert.
HCO3– + OH– ↔ CO32- + H2O
Ob beim Lösen von Hirschhornsalz in Wasser eine stark alkalische Lösung entsteht, kann mittels simplen pH-Test überprüft werden. Eine stark alkalische Reaktion wäre hier die Folge der von AquaRichtig postulierten Entstehung von Ammoniumhydroxid.
Ammoniak-Gas + Wasser → Ammoniumhydroxid (aq)
Diese stark alkalische Reaktion (pH-Wert deutlich im zweitelligen Bereich >10) ist beim Lösen von Hirschhornsalz in Wasser nicht beobachtbar. Schon gar nicht kommt es bei den Dosierungen, wie sie zur Düngung im Aquarium angewandt werden, zu einem merklichen pH-Wert Anstieg im Aquariumwasser. Stattdessen reagiert die Lösung von Hirschhornsalz, bedingt durch die enthaltenen Carbonat/Hydrogencarbonat-Ionen und der Pufferwirkung von Ammonium, leicht alkalisch mit einem pH-Wert um 8-9. Im Aquarium tritt bei sachgerechter Dosierung von höchstens einstelligen Milligramm Hirschhornsalz pro Liter Wasser keine Veränderung des pH-Wertes oder eine sonstige negative Wirkung auf Wasserorganismen auf.
Die Eigenschaft von Ammoniumhydroxid (Salmiakgeist), stark alkalisch zu reagieren und daher stark wassergefährdend zu sein, ist nicht auf Ammonium(hydrogen)carbonat / Ammoniumcarbamat (Hirschhornsalz) übertragbar und damit auch als Argument gegen die Verwendung von Hirschhornsalz zur Stickstoffdüngung der Pflanzen im Aquarium irrelevant. Ammoniaklösung ist zudem bedingt dadurch, dass nur verhältnismässig wenig Ammoniak mit Wasser zu „Ammoniumhydroxid“ reagiert, Salmiakgeist also nur eine sehr kleine Dissoziationskonstante aufweist, eine schwache Base. Auch die von AquaRichtig beschriebene Reaktion beim Lösen von Hirschhornsalz in Wasser findet nicht statt. Erst bei Erhitzen oder bei Zugabe starker Basen (z. B. Natronlauge) entsteht aus einer wässrigen Lösung von Hirschhornsalz Ammoniak. Abgesehen vom ständig fortschreitendne Prozess der Umwandlung von Ammoniumcarbonat zu Ammoniumhydrogencarbonat, bei dem ebenfalls kontinuierlich Ammoniak in geringen Mengen frei wird. Davon rührt auch der schwache Geruch von Hirschhornsalz nach Ammoniak her.
„Besonders nicht wenn man weiß wie das Hirschhornsalz in Wasser reagiert […]“
Ebenso wie bei Natriumhydrogencarbonat ist es auch beim Hirschhornsalz bei AquaRichtig, wo man nicht weiß, was chemisch mit diesem im Aquarienwasser geschieht
. So verweist man bei auf die Giftigkeit für Fische:
„Fischtoxizität LC50 37 mg/l/96 h (Pimephales promelas) […] Pimephales promelas, die Elritze ist schon ein relativ großer Fisch gegen unsere kleinen Salmler, oder gar die Mikroorganismen“.
Was nichts daran ändert, dass die Konzentration um mindestens den Faktor 100 höher ist, als die aus der Anwendung als Stickstoffdünger im Aquarium resultierende Konzentration. Und: Ja, die Dosis respektive Konzentration macht das Gift. Pimephales promelas ist auch nicht die heimische Elritze (Phoxinus phoxinus) sondern die amerikanische Dickkopfelritze (Fathead Minnow). Gibt es als xanthistische Form der „Goldelritze“ regelmäßig im Handel, meist als Teichfische. Man kann die Art aber durchaus im unbeheizten Zimmeraquarium halten.
Bloße spekulative Andeutungen, wie sie von AquaRichtig im Bezug auf toxikologische Kenndaten für andere Fische und Mikroorganismen fomuliert werden, führen in der Sache nicht weiter und stellen keine Argumente dar. Saubere Argumente würden konkrete Daten samt Beleg aus belastbarer Quelle enthalten.
Die hier wie auch an anderen Stellen von AquaRichtig implizirte Behauptung, dass sich Giftwirkung und Größe eines Lebewesens antiproportional verhalten, ist in dieser Pauschalität schlicht irrig. Bei AquaRichtig nimmt man offenbar an, dass Organismen bei umso kleineren Dosen/Konzentrationen Vergiftungserscheinungen zeigen, je kleiner sie sind beziehungsweise je höhere Dosen/Konzentrationen ertragen, desto größer sie sind. Toxikologische Daten zur Giftigkeit von Cyanwasserstoff für die menschliche Kopflaus und den Menschen stellen dies aber eindrücklich als Denkfalle des menschlichen Hausverstands dar.
Zusätzlich ist für die Toxizität von Ammoniumsalzen in wässriger Lösung auch das vom pH-Wert abhängige Dissoziationsgleichgewicht zwischen relativ ungiftigem Ammonium und stark giftigem Ammoniak zu berücksichtigen. Je niedriger (saurer) der pH-Wert, desto mehr nimmt der Anteil des harmloseren Ammoniums zu.
„Tatsachen sind, dass durch die Düngung mit Hirschhornsalz kleine Neons verendeten, ob durch die Entstehung von Salmiakgeist oder Ammoniak, sei hier dahin gestellt“.
Stellungsnahme zu den Ausfuehrungen des Dennis-Furmanek
Wenn es sich dabei um Tatsachen handelt, dann können doch auch die näherne Umstände konkret benannt werden, damit die Tatsachenbehauptung auch nachvollziehbar ist. Prinzipiell das beschriebene Szenario auch nicht grundsätzlich unplausibel, aber konkret als Argumente gegen die (sachgemäße!) Anwendung von Hirschhornsalz zur Stickstoffdüngung im Aquarium gemünzt so wie vorgebracht nicht beweiskräftig. Ohne die konkreten Umstände des beschriebenen Vorfalls (Dosierung / Konzentration, Rahmenbedingungen etc. pp.) zu kennen, ist eine Beurteilung ohnehin schwierig. Die Bürde, diese Umstände darzulegen, liegt bei AquaRichtig.
Wer bei der Stickstoffdüngung mit Hirschhornsalz nach dem Motto „viel hilft viel“ vorgeht und seine Fische dadurch vergiftet, ist natürlich selbst schuld an dieser Misere. Missbrauch wertet den sachgerechten Gebrauch nicht ab. Möglicherweise liegt auch ein logischer Fehlschluss des Schemas „danach ist deswegen“ vor.
OPffenbar tut man sich bei AquaRichtig schwer, Sachverhalte bezüglich ihres Kontextes richtig einzuordnen:
„Wenn dieser schon Professor Blume als Referenz für seine Gegendarstellung verwendet so zitieren wir diesen auch hier, weil dessen Aussage keine andere als unsere ist!“
Stellungsnahme zu den Ausfuehrungen des Dennis-Furmanek
Im Dokument „Ammoniak aus Hirschhornsalz“ von Prof. Blume geht es um die Entstehung von Ammoniak beim Erhitzen von Hirschhornsalz. Hirschhornsalz zerfällt ab etwa 60° C zu Wasser, Kohlensstoffdioxid und Ammoniak. Auf dieser Gasbildung beim Erhitzen (Backen!) basiert auch seine Anwendung als Backtriebmittel für Flachgebäck.
Hirschhornsalz in Wasser zu lösen somit etwas anderes, als es zu erhitzen. Nur offenbar nicht bei AquaRichtig. Ammoniak reagiert mit Wasser zu Ammonium- und Hydroxid-Ionen, Hirschhornsalz aber nicht.
Nachtrag 05.09.2012
Mittlerweile hat man nach dem gewohnten großen Gezeter bei AquaRichtig die Behauptung entfernt, Ammoniumcarbonat sei krebserregend, erbgutschädigend, fortpflanzungsbeeinträchtigend und einiges mehr
. Auch die Behauptung, beim Lösen von Hirschhornsalz in Wasser entstände Salmiakgeist wurde entfernt. Gleiches gilt für die irreführende Formulierung, wonach Ammoniumcarbonat, Ammoniumhydrogencarbonat und Ammoniumcarbamat Synonyme der selben chemischen Verbindung wären. Wenn jetzt noch die Behauptung korrigiert würde, Ammonium sei nicht direkt pflanzenverfügbar, weil es erst entgiftet (= in organische Stickstoffverbindungen eingebaut) werden müsse, wäre mal was geschafft. Denn die beschriebene Entgiftung durch Synthese von u. a. Glutamat ist genau die direkte Nutzung durch die Pflanze. Direkt deshalb, weil Ammonium dazu im Gegensatz zu Nitrat nicht zuvor energieaufwendig zu Ammonium reduziert werden muss.
Vielleicht sollte man bei AquaRichtig langsam merken, dass meine Kritik an sachlichen Unrichtigkeiten in den veröffentlichten Texten doch nicht bloß dazu da ist, das Unternehmen zu dikreditieren, diffamieren, zu verleumden, als dumm und unwissend hinzustellen und so weiter – sondern weil da bei AquaRichtg einfach mal einiges behauptet wird, das schlicht nicht stimmt. Abstruses Verhalten
ist höchstens, so eine vällig alberne Ausrede als Entschuldigung dafür zu präsentieren, solchen Unsinn zu veröffentlichen.
Wenn man vorher noch auf das große Zetermordio-Geschrei verzichtet und sich damit – durch weitere Äußerungen, die zum bestehenden Unsinn noch neuen Unsinn auftragen – die Texte völlig zerschießt, könnte es doch noch was werden. Um die Diskussion voran zu bringen, wäre es auch hilfreich, wenn man bei AquaRichtig auf die zahlreichen argumentativen Totgeburten verzichten würde. Im Hinblick auf den bulimischen Umgang mit Informationen ohne Hintergrund und Zusammenhang bei AquaRichtig ist das aber auch wieder nicht verwunderlich.
- Eisenbrand, G. & Schreier, P. (2006): RÖMPP Lexikon Lebensmittelchemie. Georg Thieme-Verlag, Stuttgart, New York. 2. Auflage. ISBN: 978-3-13-736602-7
- AquaRichtig ltd. & Co. KG (2012): Hirschhornsalz zur Düngung von Wasserpflanzen im Aquarium (abgerufen am 27.08.2012) mhtml-WebArchiv
- AquaRichtig ltd. & Co. KG (2012): Stellungsnahme zu den Ausfuehrungen des Dennis-Furmanek (abgerufen am 30.08.2012) mhtml-WebArchiv
- Sicherheitsdatenblatt Ammoniumcarbonat >e; 30 &percent;