Bei AquaRichtig gibt es anscheinend keinen Artikel, in dem nicht mindestens ein gravierender Fehler enthalten ist. Dabei ist gar nicht mal sorgfältigste wissenschaftliche Recherche
[↵] – welche man bei AquaRichtig angeblich für die eigenen Artikel betreibt – notwendig, damit das nicht passiert. Eine simple Recherche mit Querlesen in einschlägiger Literatur würde schon helfen, zumindest die gröbsten Schnitzer zu vermeiden. Vorausgesetzt, der Inhalt wird auch verstanden.
Diesmal geht es um die Umkehrosmose und verwandte Membranfiltrationsverfahren. Dazu ist bei AquaRichtig Folgendes zu lesen:
„Keime werden durch die Osmosemembrane nicht abgewehrt da die Membrane einen Schlupf von bis 5% hat. Lediglich Holzfasermembranen [sic!] sollen einen sicheren Schutz vor Verkeimung bieten. Diese werden aber nicht in den herkömmlichen Osmoseanlagen eingesetzt“.
[AquaRichtig Vollentsalzer Kati und Ani 9000 Härteliter]
Holzfasermembranen
findet man eigentlich in Lautsprechern. Mit Holzfasermembranen
sind aber vermutlich Hohlfasermembranen oder -module gemeint. Hohlfasermembranen werden in der Umkehrosmose verwandten Membranfiltrationsverfahren eingesetzt.
Membranfiltrationsverfahren: Typen und Funktionsprinzip
Bei Membranfiltrationsverfahren werden in einem Lösemittel wie Wasser gelöste Teilchen durch einen physikalisch-chemischen Siebeffekt der Membran vom Lösemittel abgetrennt. Die wichtigste physikalisch-chemische Eigenschaft, anhand derer die Teilchen vom Lösemittel getrennt werden, ist deren Grösse, Durchmesser oder Molekulargewicht. Dabei werden unterschiedliche Membrantypen eingesetzt, die wichtigsten sind Hohlfasermembranen und Flächenmembranen. Das Lösemittel samt der darin gelösten Teilchen wird dazu mit Druck durch die Membrane befördert.
Die Membranfiltrationsverfahren werden anhand der Untergrenze der zurückgehaltenen Teilchengrösse in Mikrofiltration > Ultrafiltration > Nanofiltration > Hyperfiltration (Umkehrosmose) unterschieden. Umkehrosmoseanlagen können also kleinere Teilchen zurückhalten als andere Membranverfahren.
Verfahren | Teilchenuntergrenze | Einsatzbeispiel |
---|---|---|
Partikelfiltration | 1 µm | Herausfiltern von partikulären Trübstoffen |
Mikrofiltration | 0,1 µm | Herausfiltern von kolloidalen Trübstoffen |
Ultrafiltration | 0,01 µm | Entkeimung von Trinkwasser |
Nanofiltration | 0,001 µm | Teilenthärtung und Teilentsalzung |
Umkehrosmose | ≅ 0,0002 µm | Vollentsalzung |
Die Untergrenze der von der Membran zurückgehaltenen Teilchen wird durch den Durchmesser der Öffnungen in der Membran bestimmt. Bei Mikro- und Nanofiltration werden die Teilchen rein mechanisch durch die Porengrösse in der Membran abgetrennt.
Mikrofiltration und Ultrafltration arbeiten rein mechanisch nach dem Filterprinzip. Im Gegensatz dazu arbeiten Nano- und Hyperfiltration nach dem Prinzip der Diffusion. Bei der Umkehrosmose muss deshalb im Gegensatz zu den anderen Membranverfahren, auch gegen den vollen osmotischen Druck der Lösung gearbeitet werden. Bei der Rückhaltefähigkeit von Nano- und Hyperfiltration spielen deshalb neben der Grösse auch andere Eigenschaften, wie die Ladung oder die räumliche Stuktur der Teilchen eine Rolle.
Rückhaltevermögen und Teilchengrösse
So ist ein Wassermolekül mit 300 Nanometern zwar grösser als das nur etwa 200 Nanometer großes Natrium-Ion. Das Natrium-Ion kann aber aufgrund seiner Ladung die Membran nur langsamer passieren als das ungeladene Wassermolekül. Es gelangen zwar grundsätzlich auch Natrium-Ionen durch die Membran, in der selben Zeit passieren aber weitaus mehr Wassermoleküle hindurch. Dabei gilt, je grösser die Ladung, desto langsamer kann das Teilchen die Membran passieren. Mehrwertige Ionen werden daher besser zurückgehalten als einwertige.
Umkehrosmoseanlagen halten Bakterien zurück
Das erklärt auch, wieso Hohlfasermembranen nicht für Umkehrosmoseanlagen eingesetzt werden. Hohlfasermembranen können Teilchen der Grössenordnung von Ionen anorganischer Salze nicht – im Falle der Nanofiltration höchstens zum Teil – zurückhalten. Folglich können Hohlfasermembranen auch nicht das von der Umkehrosmose gewünschte Ergebnis, (nahezu) vollentsalztes Wasser, liefern. Laut AquaRichtig sollen allerdings die anderen Filtrationsverfahren mit ihren Hohlfasermembranen offenbar Bakterien zurückhalten können, die deutlich feineren Membranen von Umkehrosmoseanlagen aber nicht.
Der Durchmesser eines Natrium-Kations mit 0,0002 µm um den Faktor 10000 kleiner als der eines typischen Bakteriums mit 2 × 6 µm. Wenn also mittels Mikrofiltration bereits Partikel in der Grösse von Bakterien zurückhalten werden, dann können Umkehrosmoseanlagen das erst recht. Bei AquaRichtig kommt der Elefant nicht durch das Scheunentor, durch das Nadelöhr soll er aber passen.
Umkehrosmose-Membranen haben auch tatsächlich Schlupfraten von etwa 5-10% oder Rückhalteraten von 90 bis über 98%. Das gilt allerdings für Ionen, nicht für Bakterien. Die Rückhalterate hängt zudem von den Einsatzbedingungen (z. B. Temperatur, Wasserdruck) als auch der jeweiligen Ionenspezies ab. Große Ionen haben bessere Rückhalteraten als kleine Ionen.
Ein Verkeimen (Biofouling) der Membran selbst wird auch bei Hohlfasermembranen nicht verhindert, da die zurückgehaltenen Bakterien in beziehungsweise an der Membran verbleiben. Die regelmässige Instandhaltung durch Entfernung von Biofilmen und anderen Verblockungen (Scaling) auf mechansichem Weg wie Rückspülen oder auf chemischem Wege ist bei jedem Membranfiltrationsverfahren notwendig. Auch Ionentauscherharze sind nicht vor diesen Problemen gefeit.
Umkehrosmosepermeat, Karbonathärte und pH-Wert
Im Süßwasseraquarium wird der pH-Wert regelmäßig durch das Zusammenspiel von Karbonathärte und CO2-Konzentration bestimmt. Dabei ist es völlig egal, wie die Karbonathärte verändert wird. Ob sie durch Teilentsalzung, Vollentsalzung, Umkehrosmose oder durch Mineralsäuren gesenkt oder beispielsweise durch Natriumhydrogencarbonat erhöht wird. Letztlich wird der pH-Wert allein aus dem Verhältnis von Karbonathärte und CO2-Konzentration bestimmt. Um bei einer bestimmten Karbonathärte einen bestimmten pH-Wert einzustellen, bedarf es einer bestimmten CO2-Konzentration.
„Osmosewasser hat einen Ausgang von pH 7, bei Karbonat und Gesamt-Härte 0. Dieses Wasser sollte man auf jeden Fall auf eine Karbonat-Härte von 2 aufhärten. Dies ergibt dann wenigstens einen pH von 7,2. Eine Karbonat-Härte von 2 dann mit CO2 Zugabe auf einen Toleranz-Bereich für Weichwasser-Fische zu drücken erfordert schon aquaristischen Mut“.
[AquaRichtig Vollentsalzer oder Osmose-Anlage – Pro und Contra]
Bereits die pauschale Behauptung, Osmosewasser habe einen pH-Wert von 7, ist falsch. Da auch im Wasser gelöste Gase einschließlich CO2 die Membrane passieren, liegt der pH-Wert von frischem Osmosewasser, je nach Rohwasser und verbleibender Rest-Karbonarthärte, regelmäßig im leicht sauren Bereich zwischen 5 und 6. Selbst ausgegastes, abgestandenes und damit im Gasgleichgewicht mit der Luft befindliches Umkehrosmose-Permeat weist durch gelöstes Luft-CO2 regelmäßig einen leicht sauren pH-Wert auf.
Wie man bei AquaRichtig die Karbonathärte durch CO2-Zugabe seken will, muss man mal genau erklären. Denn durch CO2-Zugabe kann die Karbonathärte nicht gesenkt werden, die CO2-Konzentration hat auch sonst überhaupt keinen unmittelbaren Einfluss auf die Karbonathärte oder das Säurebeindevermögen.
Wahrscheinlich meint man aber bei AquaRichtig, dass es mutig sei, bei einer KH von 2°d den pH-Wert in den für Weichwasserfische angeblich artgerechten Bereich zu senken. Mutmaßlich, weil dies wohl folgerichtig durch CO2-Zugabe erfolgen soll. Daraus ist abzuleiten, dass man bei AquaRichtig die dafür erforderlichen 35 mg/l CO2 als zuviel ansieht.
An anderer Stelle heißt es seitens AquaRichtig dass ein pH Wert von 6,2 bei einer Karbonathärte von 2
ideal sei. AquaRichtig erkennt korrekt, dass dabei ein CO2 von etwa 35 mg/l im Wasser vorliegt. Aber vielleicht gibt es da noch einen nur einem inneren Kreis bekannten, also einen esoterischen, Unterschied zwischen den 35 mg/l CO2, die man bei mittels Vollentsalzer (von AquaRichtig, versteht sich) aufbereitetem Wasser mit KH 2 für den optmalen pH-Wert von 6,2 benötigt und den 35 mg/l CO2, die für einen pH-Wert von 6,2 bei mittels Umkehrosmose entsaltzem Wasser mit KH 2 erforderlich sind.
Fazit und Schlusskommentar
Zur Sache selbst: Umkehrosmoseanlagen können selbstverständlich Bakterien aus dem Wasser zurückhalten.
Ansonsten führt die bekannte Kombination von Ahnungslosigkeit und Hybris abermals dazu, dass AquaRichtig dem Leser unter dem Deckmäntelchen angeblicher Wissenschaftlichkeit groben Unfug präsentiert.
Referenzen, weiterführende Literatur und externe Links
- ⇑ Wilhelm, S. (2008): Wasseraufbereitung: Chemie und chemische Verfahrenstechnik. 7. Auflage, Springer-Verlag, ISBN 9783540688877
weiterführende Literatur:
- Universität Linz: Membrantechnik in der Prozessindustrie
externe Verweise auf andere themenrelevante Internetangebote:
- de.wikipedia.org: Membrantechnik
- de.wikipedia.org: Mikrofiltration
- de.wikipedia.org: Ultrafiltration
- de.wikipedia.org: Nanofiltration
- de.wikipedia.org: Umkehrosmose
- de.wikipedia.org: Dead-End-Filtration
- Einheiten-Umrechner
- Umrechnen Länge, Mikrometer
- Lenntech: Wasseraufbereitungsverfahren: Filtration
- Wasser-Wissen: Filtration
- Lenntech: Membrantechnologie
- Deutsche Gesellschaft für Membrantechnik
- DVGW – Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches