Im neuesten kataphasischen Erguss fabuliert man bei AquaRichtig von Kiemenverschleimung durch hartes Wasser. In hartem und damit meist alkalischem Wasser soll es bei Weichwasserfischen (oder auch bei Fischen generell?) aufgrund der insgesamt günstigeren Lebensbedingungen für Keime
zu einem hohen Keimdruck
kommen. Das ist insoweit auch durchaus grundsätzlich richtig. Dieser soll zu einer Verschleimung der Kiemen führen, was unter anderem den Gasaustausch über sie erheblich behindert. Was ich – so wie es von AquaRichtig dargestellt wird – für absurd halte.
Dass ionenreicheres, gut gepuffertertes Wasser mit neutralem bis leicht alkalischem pH-Wert günstigere Wachstumsbedingungen für Bakterien bietet und entsprechend mehr Bakterien im Wasser leben, streite ich nicht ab. Dass dies grundsätzlich bakterielle Infekte bei Fischen, auch an den Kiemen begünstigt, ebenfalls nicht. Dass es bei bakteriellen und anderen Infektionen der Kiemen als Abwehrreaktion zur vermehrten Schleimbildung kommt und diese unter anderem den Gasaustausch über die Kiemen behindert, streite ich ebenfalls nicht ab. Ich streite allerdings die Zwangsläufigkeit solcher Verschleimungen der Kiemen durch bakterielle Infekte als unausweichliche und monokausale Folge der Haltung in härterem Wasser ob der höheren “Keimdichte“ ab, wie sie von AquaRichtig behauptet wird.
Da man bei AquaRichtig mit nichts handfesterem, als dem eigenenen Hörensagen aufwartet, halte ich diese These, so wie sie dargestellt wird, für ausgemachten Unsinn. Mag sein, dass es hier ein Körnchen Wahrheit gibt, das aber in dem ganzen aquarichtigschen Unsinn untergeht. Wer, wie Herr Staeck, solche Artikel schreibt, hat für AquaRichtig wohl auch zu wenig Sauerstoff im Hirn.
Keime
Der Begriff Keime bezeichnet allgemein Krankheitserreger. Er ist, im Gegensatz zum aquarichtigschen Gebrauch, nicht auf Bakterien beschränkt, sondern umfasst auch andere pathogene Mikroorganismen wie Pilze und andere mikroskopische Eukaryoten. Ebenso zählen Viren und subzelluläre Partikel wie Prionen zu den Keimen. Es sind, im Gegensatz zum aquarichtigschen Wortgebrauch, auch nicht alle Bakterien gleich Krankheitserreger.
Wieder benutzt man bei AquaRichtig einen Begriff in einer eingeengten Privatbedeutung. Besonders interessant ist, dass insbesondere Pilze, im Gegensatz zu vielen (aber nicht allen) Bakterien, im sauren Milleu gut gedeihen. Im Hinblick auf die Behauptung, die Keimzahl ginge bei saurem pH-Wert im Aquarium zurück, mag diese zwar im Bezug auf Bakterien grundsätzlich zutreffen. Viele Pilze, wie beispielsweise die für Verpilzungen bei Fischen verantwortlichen Saprolegnia, gedeihen auch bei – im aquaristischen Sinne – sauren pH-Wert noch gut.
Koloniezahl, Keimzahl und Keimdruck (Infektionsdruck) im Aquariumwasser
Die Einheit zur Bestimmung der mikrobiologischen Qualität eines Wassers ist koloniebildende Einheiten pro Milliliter (KBE/ml) oder colony forming units (cfu) per milliliter. Zur Bestimmung der Koloniezahl im Aquariumwasser sind einfache Tauchnährmedien im Kulturröhrchen (z. B. Cult Dip von Merck) brauchbar. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich auch nur eben die Mikroorganismen vermehren werden, denen die gebotenen Bedingen (Nährmedium, Temperatur, Sauerstoff etc.) dafür zusagen. Mikroorganismen, die unter den gebotenen Bedingungen nicht wachsen können, werden entsprechend auch nicht durch Koloniebildung nachweisbar sein. Außerdem erlaubt die KBE-Zahl keine Aussage darüber, um welche Mikroorganismen es sich genau handelt. Die KBE-Zahl kann somit auch keine Aussage darüber treffen, ob es sich um pathogene Keime handelt oder nicht.
Von der „Keimzahl“ (= KBE/ml) kann daher auch nicht automatisch auf den Keim- oder Infektionsdruck geschlossen werden. Dazu sind zunächst andere, differenzierende Nachweismethoden erforderlich, die sich spezifische Eigenschaften bestimmter Mikroorganismenarten beziehungsweise -gruppen zunutze machen, wie der Floureszenztest. Erst diese ermöglichen überhaupt, beispielsweise pathogene Bakterien von der regulären mikrobiellen Wasserflora zu unterscheiden. Die KBE-Zahl mit der Keimzahl gleichzusetzen ist daher irreführend.
Koloniezahl, Infektionsdruck und chemische Wasserparameter
Der nächste notwendige Schritt der Beweisführung wäre, die Auswirkung verschiedener Wässer mit unterschiedlichen chemischen Charakteristiken (z. B. weich / sauer vs. hart / alkalisch) vorerst auf die Koloniezahl hin konkret zu prüfen. Denn ausschlaggebend ist, wie groß der Unterschied und damit der Effekt der unterschiedlichen chemischen Wassercharakteristika bei ansonsten vergleichbaren Bedingungen tatsächlich ist. Auch wenn theoretisch zu erwarten ist, dass aufgrund der ungünstieren Bedingungen die KBE-Zahl in weichem und sauren Wasser niedriger ist als in hartem, alkalischem Wasser, sind konkrete Messwerte als handfeste Beurteilungsgrundlage unentbehrlich. Zusätzlich sind zur Kontextherstellung entsprechende Daten aus verschiedensten Gewässern erforderlich, um Vergleichswerte zu haben. Diese sind sicher in der Literatur verfügbar.
Keimreduzierung durch effektive Mikroorganismen
AquaRichtig verweist auf eine von Teutokoi veranlasste mikrobiologische Untersuchung, um eine angebliche Keimdichtereduzierung durch EM-Präparate im Wasser zu belegen. Wie hat man aber ausgeschlossen, dass diese Unterschiede beziehungsweise Veränderungen nicht andere Ursachen haben? Wie hat man sichergestellt, die Effekte von Trägermedium und Mikroorganismen zu trennen? Als unumstößlicher Beleg für die These ist das sehr, sehr mager. Gerade wenn man sich die auch ansonsten sehr mageren Wirknachweise für EM-Präparate in der Literatur betrachtet.
Belegstellen, weiterführende Literatur und externe Links
- Staeck, W. (1996): Zur Ableitung von Grenzwerten chemischer und physikalischer Parameter des Wassers für die artgemäße Haltung von Aquarienfischen. In: DATZ 05/96, S. 295-300
- Bayerisches Landesamt für Umwelt: Bakteriologisch-hygienische Untersuchungen: Nachweis von Gesamt- und Fäkalcoliformen Bakterien
- Mikrobiologische Parameter – Erreger im Trinkwasser
- Keimzahlbestimmung im Aquarium