Laut AquaRichtig ist […] CO2 […] bei pH Werten über 7,0 […] an die Karbonate, als sogenanntes Gleichgewichts CO2 gebunden und für Pflanzen nicht verwertbar
. Ebenso erfolgt angeblich beim chemischen Vorgang der CO2 Entziehung aus den Karbonaten eine weitere chemische Reaktion, nämlich, dass Calciumcarbonat (CaCO3) ausgefällt
wird.
Offenbar vermengt man hier bei AquaRichtig die Begriffe Gleichgewichtskohlensäure und gebundene Kohlensäure sowie Carbonate und Hydrogencarbonate. Im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG) sind die folgenden Anteile der Kohlensäure bekannt:
- freie Kohlensäure: gelöstes Kohlendioxid CO2 und die daran geknüpfte Kohlensäure H2CO3
- gebundende Kohlensäure: im Wasser gelöste Hydrogencarbonat- (HCO3–) und Carbonat- (CO32-) Ionen.
Die freie Kohlensäure wird weiter unterschieden in:
- Gleichgewichtskohlensäure oder zugehörige Kohlensäure: Teil der freien Kohlensäure, der erforderlich ist, eine bestimmte Konzentration der Carbonate der Härtebildner („Kalk“, temporäre Wasserhärte) als ihre Hydrogencarbonate in Lösung zu halten.
- überschüssige oder aggressive Kohlensäure: Teil der freien Kohlensäure über die Gleichgewichtskohlensäure hinaus
Sowie die gebundene Kohlensäure in:
- halbgebundene Kohlensäure: der Teil, der als Hydrogencarbonat-Ionen vorliegt
- gebundene Kohlensäure: der Teil, der als Carbonat-Ionen vorliegt
Gleichgewicht, Kalk-Abscheidung und Kalk-Lösung
Wird weder Kalk gelöst noch abgeschieden, befindet sich ein Wasser im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht.
Wird diesem Wasser Kohlendioxid entzogen, wird Kalk (Calciumcarbonat, CaCO3)abgeschieden. Das Wasser ist kalkabscheidend, Gesamt- und Karbonathärte sinken.
- Ca2+ + 2 HCO3– ↔ CaCO3↓↑ + CO2↓↑ + H2O
Ist mehr Kohlendioxid im Wasser gelöst, als erforderlich, um die Carbonate in Lösung zu halten, liegt überschüssige oder aggressive Kohlensäure vor. Kalkhaltige Gesteine oder Materialien (z. B. Beton) werden angegriffen. Es wird Kalk ins Wasser gelöst, Gesamt- und Karbonathärte steigen.
- CaCO3↑ + CO2↓ + H2O ↔ Ca2+ + 2 HCO3–
Je höher die echte Karbonathärte in einem Wasser ist, desto mehr Gleichgewichtskohlensäure = CO2 ist erforderlich, sie gelöst zu halten. Die Carbonate der Härtebildner (temporäre Wasserhärte, Karbonathärte) sind also nur dann (in Form ihrer Hydrogencarbonate) im Wasser gelöst, wenn ausreichend Kohlensäure vorhanden ist. Sie sind auch höchstens so weit im Wasser gelöst, wie ausreichend Kohlensäure dazu verfügbar ist.
In sehr weichem Wasser mit niedriger temporärer Härte ist also nur sehr wenig Kohlendioxid dazu erforderlich, in hartem wasser mit hoher Karbonathärte (wohlgemerkt: die echte!) entsprechend viel.
pH-Wert und Kohlenstoffdioxid-Gehalt von Wasser
Die von AquaRichtig aufgestellte Behauptung, CO2 ist bei pH Werten über 7,0 aber an die Karbonate […] gebunden
ist ebenso unsinnig wie die Behauptung Frei liegt CO2 […] bei pH-Werten unter 7 vor und je tiefer der pH, desto höher ist der CO2 Gehalt des Wassers
. Zwischen pH 4,3 und pH 8,2 liegt die gebundene Kohlensäure nahezu ausschließlich als Hydrogencarbonat vor, erst darüber gewinnt der Carbonat-Anteil Bedeutung. Gleichzeitig liegt bis pH 8,2 freie Kohlensäure vor, darüber tendiert ihr Anteil gegen Null. Dem gegenüber liegt unter pH 4,3 praktisch nur noch freie und keine bebundene Kohlensäure mehr vor. Die zweite Teilaussage trifft nur dann zu, wenn einer der beiden Eckpunkte des Dreigestirns pH/CO2/KH – also entweder pH-Wert oder Karbonathärte – konstant bleibt. Verdoppelt sich die CO2-Konzentration bei unveränderder Karbonathärte, sinkt der pH-Wert um 0,3. Bei halbierter Karbonathärte ist somit auch nur eine halb so hohe CO2-Konzentration für den selben pH-Wert erforderlich. Oder anders gesagt: Ein Wasser kann trotz höherem pH-Wert mehr CO2 enthalten, als ein anderes Wasser mit niedrigerem pH-Wert. Karbonathärte oder pH-Wert allein geben keine Auskunft über die CO2-Konzentration im Wasser.
Gleichgewichtskohlensäure und Wasserpflanzen
Nach der aquarichtigschen Logik dürfte für Wasserpflanzen lediglich die überschüssige Kohlensäure verfügbar sein. Wasserpflanzen steht aber immer die gesamte freie Kohlensäure für die Fotosynthese zur Verfügung. Viele Tauchblattpflanzen – wie die Wasserpest oder Vallisnerien – können zudem gebundene Kohlensäure als im Wasser gelöstes Hydrogencarbonat aufnehmen und als Kohlenstoffquelle nutzen.
Das aquarichtigsche Modell des KKG steht zudem im Widerspruch zur geäußerten Empfehlung, nicht mehr CO2 [zuzugeben,] als nötig um die Karbonate in Lösung zu bringen und zu halten
. Übersetzt in die Terminologie des KKG soll das Wasser sich also immer genau im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht befinden und damit gerade keine überschüssige Kohlensäure vorhanden sein. Welche aber nach AquaRichtig wohl der einzige Anteil der freien Kohlensäure ist, der den Wasserpflanzen zur Verfügung steht.
Wird den Carbonaten, konkret Calciumcarbonat, Kohlendioxid entzogen, entsteht dabei nicht etwa Calciumcarbonat, sondern Calciumoxid:
- CaCO3 ↔ CaO + CO2↑
Da hierzu entsprechend hohe Temperaturen erforderlich sind, passiert dies bei der Produktion von Branntkalk oder aber, wenn kalkhaltiges Sedimentgestein in den Erdmantel subduziert und aufgeschmolzen wird. Aus diesem Prozess stammt das mit vulkanischer Aktivität verbundene Kohlendioxid.