Auch zur Osmoregulation von Süßwasserfischen gibt es alternative Fakten bei AquaRichtig:
„Hierüber aber mehr zu dem Thema Osmosesystem der Fische und hier nur kurz erwähnt, dass Weichwasserfische im Körper einen höheren osmotischen Druck als den des sie umgebenden Wassers haben. Der Fisch muss mehr Wasser aufnehmen um den Druck aus zu gleichen.[…] Mit vermehrter Wasseraufnahme durch das falsche Wasser gelangen auch mehr Salze in seinen Körper die dieser wieder abscheiden muss. Dies geschieht vorwiegend über seine Nieren die dabei erheblich belastet und geschädigt werden. Die Quittung sind dann Anfälligkeit gegen Krankheiten und im schlimmsten Fall sogar oft ein plötzlicher und anscheinend unerklärlicher Tod“.
[AquaRichtig: Diskus Haltung im Aquarium wie in der Natur]
AquaRichtig verweist dabei auf den Wikipedia-Eintrag Osmoregulation. Darin findet sich die folgende Passage:
„Süßwasserfische sind hyperosmotische Regulierer. Sie haben einen höheren osmotischen Wert im Körperinneren als ihre Umgebung und nehmen deshalb Elektrolyte mit den Kiemen aktiv aus dem umgebenden Wasser auf. Das dabei mit aufgenommene, überschüssige Wasser wird über den Urin wieder ausgeschieden, der deshalb sehr verdünnt ist.“
Laut AquaRichtig müssen Süßwasserfische [im Wortlaut Weichwasserfische
] aber offenbar aktiv Wasser aufnehmen, um den osmotischen Druck auszugleichen. Denknotwendig mit dem Ziel, den osmotischen Wert in ihrem Körper dem des umgebenden Wassers anzugleichen. Dann wären sie aber nicht Osmoregulierer, sondern Osmokonformer. Osmokonformer sind Organismen, die den osmotischen Wert ihres Köperinneren an den den umgebenden Mediums anpassen. Gerade das tun Knochenfische aber nicht, weder im Süßwasser noch im Meerwasser.
Osmose und osmotischer Druck
Der osmotische Druck ergibt sich immer abhängig vom konkreten Bezugssystem zweier von einer halbdurchlässigen Membran getrennter Lösungen. Ein solches System stellt der Fischkörper mit dem umgebenden Wasser zwar dar. Ohne aber die osmotischen Verhältnisse in Fisch und Wasser zu kennen, kann keine Aussage darüber getroffen werden, in welchem osmotischen Zustand sich dieses osmotische System befindet.
Der osmotische Wert im Körper (Blut, Hämolymphe, Interstitialflüssigkeit) von Süßwasserfischen beträgt etwa 300 Milliosmol pro Liter (mOsmol/l). Zwischen „Weichwasserfischen“ und „Hartwasserfischen“ gibt es dabei keinen Unterschied. Süßwasser liegt im Bereich von <1 bis etwa < 50 Milliosmol pro Liter. Als Faustregel kann gelten: je härter das Wasser, desto ionenreicher ist es, desto mehr Osmolyte enthält es, desto höher ist sein osmotischer Wert. Als sehr grobe Annäherung kann man pro 1°d GH etwa 1 mOsmol/l annehmen. Wasser mit > 20 mOsmol/l ist also regelmäßig ein sehr hartes Wasser > 20°d GH. Der Körper von Süßwasserfischen ist folglich gegenüber Süßwasser immer deutlisch hyperosmotisch, auch gegenüber sehr, sehr hartem.
Osmoregulation bei Süßwasserfischen
Süßwasserfische müssen daher weder aktiv Wasser aufnehmen, um den osmotischen Druck auszugleichen, noch nehmen sie überhaupt aktiv Wasser auf, noch gleichen sie als Osmoregulierer überhaupt den osmotischen Druck aus. Das Wasser strömt aufgrund des höheren osmotischen Wertes im Fischkörper durch das Prinzip der Osmose von selbst in den Fisch hinein. Dabei gelangt im idealisierten Modell nur Wasser in den Fisch, nicht aber darin gelöste Salze oder andere Substanzen.
Tatsächlich verlieren Süßwasserfische über die für Ionen nicht völlig impermeable Haut Salze an das Umgebungnswasser. Diese Salze beziehungsweise deren Ionen (Elektrolyte) nimmt der Fisch mit speziellen Membranstrukturen vornehmlich auf den Kiemen und im Rachen wieder aus dem Wasser auf. Zudem aus dem Nahrungsbrei im Verdauungstrakt. Grundsätzlich können Ionen daher auch über die Haut vom Wasser in den Fischkörper gelangen. Vorausgesetzt, das Wasser ist gegenüber dem Fischkörper hyperosmotisch, weist also einen höheren osmotischen Wert auf, trifft das auch zu. Bei Süßwasser ist das aber nie der Fall.
Die Behauptung, dass Weichwasserfische im „falschen Wasser“ (= hartem Wasser) mit der vermehrten Wasseraufnahme auch vermehrt die darin gelösten Salze aufnehmen, ist also in zweierlei Hinsicht schlicht Unsinn. Zum einen nimmt der osmotische Unterschied zwischen Fischkörper und Wasser mit steigendem Salzgehalt (steigender Wasserhärte) des umgebenden Wassers ab. In hartem Wasser strömt nach den Gesetzen der Osmose also gerade weniger Wasser in den Fisch hinein, nicht mehr. Zudem widerspricht es dem Prinzip der Osmose, dass nicht nur das Lösemittel Wasser durch die Membran (= Haut) dringt, sondern auch darin gelöste Substanze wie Salze und deren Ionen.
Alle diese Informationen sind auch dem verlinkten Wikipedia-Eintrag zur Osmoregulation zu entnehmen.
Auch der Verweis auf eine höhere Belastung der Niere in hartem Wasser entbehrt jeder Grundlage. Die Niere von Süßwasserfischen dient vornehmlich dazu, überschüssiges, durch Osmose in den Körper eingedrungenes Wasser auszuscheiden und dabei den unweigerlichen Elektrolyt-Verlust so weit wie möglich zu vermindern. Wenn überhaupt, dann muss die Niere nich in hartem, sondern in weichem Wasser mehr Arbeit leisten, da durch den größeren osmotischen Unterschied in weichem Wasser mehr Wasser in den Fisch eindringt und wieder ausgeschieden werden muss.
AquaRichtig versucht hier also nur wieder, eigene Fantasieprodukte mit Verweis auf eine Quelle zu untermauern. Das spricht deutlich dafür, dass man bei AquaRichtig die Hausaufgaben nicht gemacht hat. Verlinken kann man offenbar, mit dem Lesen und Verstehen hapert es aber.
Der osmotische Wert von Fischeiern
Eine weitere steile These in diesem Zusammenhang liefert AquaRichtig mit der Behauptung, dass in den Fischeiern von Weichwasserfischen […] der osmotische Druck […] wesentlich geringer als zum Beispiel im Fischkörper selbst
sei. Wie gewohnt gibt es bei AquaRichtig weder einen Beleg noch eine konkrete Angabe für diese Behauptung.
Es drängt sich die Frage auf, wieso nun gerade die Keimzellen einen völlig anderen osmotischen Wert aufweisen sollen, als alle anderen Zellen im Fischkörper. Zumal sich gerade aus der Eizelle neues Leben entwickeln soll, weshalb sie alle dazu erforderlichen Nährstoffe beinhalten muss. Denn bei eierlegenden Fischen findet während der Eientwicklung keine Nährstoffzufuhr von Außen mehr statt. Die Nährstoffe selbst sind zu großen Teilen Osmolyte. Wäre der osmotische Wert innerhalb der Eizelle derart niedrig, könnten hier keine nennenswerten Nährstoffe vorhanden sein, aus denen sich die Fischlarve entwickeln soll.
Da es hier sowohl an einem Beleg für die Behauptung fehlt und die Behauptung in Anbetracht bekannter Tatsachen zudem extem unplausibel ist, handelt es sich hier wahrscheinlich also wieder nur um ein aquarichtigsches Hirngespinst
Osmose und pH-Wert
Zudem zieht man diese Steile These als Begründung dafür heran, dass die Zucht des Diskus und vieler anderer Weichwasserfische in alkalischem Wasser unmöglich
sei. AquaRichtig stellt hier unzulässigerweise eine unmittelbare Verbindung zwischen osmotischem Wert und pH-Wert her. Wie alle Ionen tragen zwar auch die für den pH-Wert verantwortlichen H+ und OH–-Ionen zum osmotischen Wert eines Wassers bei. Im aquaristisch relvanten pH-Wert Bereich ist selbst bei großzügiger Abgrenzung dieses Bereichs zwischen pH 4 und 9, die Konzentration dieser Ionenspezies (c H+ / OH– = {0,000001…0,1} mMol/l) aber so niedrig, dass sie keinen nennenswerten Anteil an der Gesamtmenge der im Wasser gelösten Salze und anderen Osmolyte haben.
Belegstellen, weiterführende Literatur und externe Links
- de.wikipedia.org: Osmose
- de.wikipedia.org: Osmoregulation
weiterführende Literatur:
- Evans, D. H. et al. (2007): The Physiology of Fishes; 3rd Edition