Auch zum pH-Wert hat man bei AquaRichtig interessante Ansichten. So scheint es bereits Schwierigkeiten beim grundsätzlichen Verständnis der Zusammenhänge bei diesem Wasserparameter zu geben:
„Ideal […] ist ein pH Wert von 6,2 bei […] einem guten Verhältnis von H+ und OH- Ionen“.
[AquaRichtig: Biogene Entkalkung durch CO2 Mangel im Aquarium]
Die Formulierung ergibt nur dann Sinn, wenn man annimmt, dass der pH-Wert und das Verhältnis von H+ und OH– Ionen
unabhängige chemische Parameter sind. Sie hängen allerdings untrennbar zusammen.
Der pH-Wert ist, vereinfacht ausgedrückt, der negative Zehner-Logarhythmus der Wasserstoff-Ionen-Konzentration (pH = -log c H+). Komplementär zum pH-Wert existiert der sogenannte pOH-Wert, der negative Zehner-Logarhythmus der Hydroxid-Ionen-Konzentration (pOH = -log c OH–). Die Summe aus pH-Wert und pOH-Wert ist immer 14. Aus dem einen Wert ergibt sich also zwangsläufig der andere.
Aus dem pH-Wert lässt sich also der pOH-Wert unmittelbar ableiten. Aus pH-Wert und pOH-Wert lässt sich unmittelbar auf die Konzentration von H+ und OH- Ionen schließen. Bei einem bestimmten pH-Wert liegt folglich ein bestimmter pOH-Wert vor. Damit ist bei einem bestimmten pH-Wert auch immer ein ganz bestimmtes Verhältnis von H+ und OH– Ionen
gegeben.
Im Gegensatz zur denknowendigen Implikation der aquarichtigschen Darstellung kann bei einem pH-Wert von beispielsweise 6,2 nicht einmal das Verhältnis von H+– und OH–-Ionen so und ein anderes mal so betragen.
Inwiefern sich der pH-Wert und das Verhältis von H+ und OH–-Ionen unterscheiden, wo der pH-Wert doch gerade dieses Verhältnis ausdrückt, bleibt also das Geheimnis von AquaRichtig.
pH-Wert-Schwankungen
„Oft belustigt wurde darauf reagiert, dass pH-Schwankungen von sauer in alkalisch Fischen schwer zu setzen (schaden) und nicht anders verhält es sich bei pflanzen, dass starke pH – veränderungen diese beeinträchtigen, wie auch in dem Link oben (pflanzenorgane) in Wikipedia erwähnt“.
[AquaRichtig,2011 pH Wert im Aquarium]
Belege für diese steile These, dass pH-Schwankungen von sauer in alkalisch Fischen schwer zu setzen (schaden)
kann oder will man bei AquaRichtig aber nicht erbringen. Die aufgestellte Behauptung selbst scheint für AquaRichtig schon ein hinreichender Beleg für ihre Richtigkeit zu sein. Dem ist aber nicht so. Genaue Zahlenwerte, um die Größenordnung der Schwankung überblicken und zu können, müssen dann selbst verständlich auch nicht genannt werden.
Ich streite nicht ab, dass extreme pH-Bereiche und starke pH-Wert-Schwankungen (besonders dann, wenn sie in einem relativ kurzen Zeitraum erfolgen) sich physiologisch nachteilig auf die Aquarienbewohner auswirken. Dabei muss berücksichtigt werden, ob diese extremen Bereiche und starken Schwankungen unter praktisch realistischen Bedingungen im Aquarium überhaupt auftreten und damit so ein Szenario realistisch ist. In der Art, wie es bei AquaRichtig formuliert wird, können Leser den Eindruck gewinnen, dass eine pH-Wert-Schwankung im Aquarium allein deshalb schädlich wirkt, weil dabei der Neutralpunkt überschritten wird. Verfolgt man diesen Ansatz weiter, bedeutete dies, dass selbst pH-Schwankungen über mehrere 10er-Potenzen nicht schädlich sind, sofern sich die Schwankung allein im sauren oder alkalischen Bereich, also < 7 oder > 7 abspielt. Eine pH-Wert-Schwankung von pH 6,9 auf 7,1 wäre demzufolge schädlich, eine Schwankung von beispielsweise pH 6,5 auf 2 oder von 7,2 auf 10 aber nicht. Das ist vollkommen unsinnig.
Um es noch einmal zu verdeutlichen. Ich stelle nicht die Aussage, dass starke Schwankungen des pH-Wertes sich schädlich auf Fische und pflanzen auswirken, in Frage, sondern die Behauptung, dass dies allein dadurch verursacht werden soll, dass die Schwankungen den Neutralpunkt überschreiten, unbeachtet der absoluten Magnitude. Es wird auch nicht in Frage gestellt, dass bereits kleinere Schwankungen des pH-Wertes im Aquariumwasser Auswirkungen auf die biologischen Vorgänge haben. Nur müssen diese Auswirkungen nicht auch gleich zwangsweise schon schädlich sein, wie man es bei AquaRichtig zumindest suggeriert.
Zum Dissoziationsgleichgewicht Ammonium ↔ Ammoniak und dem pH-Wert
„viele Aquarianer, besonders Neueinsteiger kennen ihre pH-Werte im Aquarium gar nicht und nicht selten hatten wir Aquarianer mit Problemen die nachInfo durch uns wenigstens den pH messen ließen. Nicht selten mit der Aussage, dass das Wasser noch mit pH 8 in Ordnung sei. Leider sind es wirklich nur sehr wenige Aquarianer die überhaupt pH-Werte unter 7 im Aquarium haben und deren Probleme sind oft auf hohe Ammoniakkonzentrationen zurück zu führen“.
[AquaRichtig, 2011: Ammonium und Ammoniak im Aquarium]
AquaRichtig vertritt hier nach meiner Ansicht eine sklavische Interpretation der Messwerte und unterschlägt das Problem, dass mittels augenscheinlicher Auswertung von Farbindikatoren kaum die erforderliche Messgenauigkeit zu erzielen ist. Zum anderen demonstriert man hier in meinen Augen ein extrem vereinfachtes Schwarz-Wieß-Denken über die Bedeutung des pH-Wertes im gegebenen Wertebereich für die biologischen Prozesse im Aquarium. Was aber ist, wenn der pH-Wert tatsächlich gar nicht, wie abgelesen, bei 8, liegt, sondern, wie in vielen Fällen, knapp darunter? viele Indikator-Tropfentests und Teststreifen können gar nicht so genau auflösen, als, dass man solche präzise Aussagen machen könnte, ganz abgesehen von der Schwierigkeit, die Farbnuancen entsprechend erkennen zu können.
Vollkommen unverständlich ist mir die Darstellung von AquaRichtig, dass gerade in Aquarien mit pH-Werten unter 7 [sic!] Probleme mit Ammoniak auftreten sollen. Das steht im kompletten Widerspruch zum pH-Wert abhängigen Dissoziationsverhalten von Ammonium und Ammoniak, wo der Ammoniak-Anteil mit sinkendem (saurer werdendem) pH-Wert gerade abnimmt.
„Leider sind es wirklich nur sehr wenige Aquarianer die überhaupt pH-Werte unter 7 im Aquarium haben und deren Probleme sind oft auf hohe Ammoniakkonzentrationen zurück zu führen“.
[AquaRichtig, 2011: Ammonium und Ammoniak im Aquarium]
Denn deren Probleme
bezieht sich auf die sehr wenige[n] Aquarianer[,] die überhaupt pH-Werte unter 7 im Aquarium haben
. Insbeonsondere unverständlioch ist mir diese Behauptung in Anbetracht der folgenden und inhaltlich vergleichbarer Äußerungen:
„Bei einem pH Wert von 7 ist das Verhältnis Ammonium/Ammoniak 99:1 und hier mit steigender Tendenz mit steigendem pH Wert. Bei pH 9 liegt das Verhältnis schon bei 70:30 und bei pH 10 bei 5:95“.
[AquaRichtig, 2011: Ammonium und Ammoniak im Aquarium]
Aber vermutlich meint man bei AquaRichtig hier wieder das Gegenteil dessen, was man schreibt.
pH-Wert und Osmosewasser
Im Süßwasser lässt sich [mit Osmosewasser, Anm. des verfassers] ohne Hilfsmittel kein pH unter 7,2 einstellen
. Behauptet man zumindest bei AquaRichtig – begründen tut man es nicht. In wie weit ist die These nun durch Fakten gedeckt?
Der Kohlensäure-Hydrogencarbonat-Puffer.
Der pH-Wert wird im Süßwasseraquarium durch den Kohlensäure Hydrogencarbonat-Puffer bestimmt, solange Hydrogencarbonat im Wasser gelöst ist. Der pH-Wert ist dabei nach den Regeln des Massenwirkungsgesetzes die Resultierende aus dem Stoffmengen verhältnis von Kohlensäure und und Hydrogencarbonat.
- H2CO3 H+ + HCO3–
Die Kohlensäure-Konzentration hängt unmittelbar proportional von der CO2-Konzentration ab. Etwa 0,2 % des physikalisch im Wasser gelösten Kohlendioxids reagieren mit Wasser zu Kohlensäure.
- H2CO3
Die Konzentration an Hydrogencarbonat wird über die Karbonathärtemessung bestimmt, da die Karbonathärte (beziehungsweise das eigentlich gemessene Säurebindevermögen bis pH 4,3 (SBV)) praktisch mit der Hydrogencarbonat-Konzentration gleichzusetzen ist.
- ° dKH × 0,36 c HCO3– in mmol⁄l
Der pH-Wert ist dabei nach den Regeln des Massenwirkungsgesetzes die Resultierende aus dem Stoffmengen verhältnis von Kohlensäure und und Hydrogencarbonat. Der Mechanismus beruht auf den Gleichgewichtsreaktion vonKohlendiaoxid, Wasser, Kohlensäure und Hydrogencarbonat.
Die Dissoziationskonstante dieser Gleichgewichtsreaktionen ist – wie der Name bereits erahnen lässt – konstant. Bei gleichen Bedingungen ist das Stoffmengenverhältnis also immer gleich. Da die Stoffmenge freier Protonen beziehungsweise Oxonium-Ionen den pH-Wert bestimmt und ebenfalls von diesem Gleichgewicht abhängt, ist der pH-Wert unmittelbar an das Gleichgewicht von Kohlensäure und Hydrogencarbonat gebunden.
Dabei verändert sich der pH-Wert zwangsläufig, wenn sich die Konzentration mindestens einer der beiden Komponenten – Kohlensäure und Hydrogencarbonat – ändert. Das bedeutet folglich, dass:
- der pH-Wert sinkt
- wenn bei gleicher Kohlensäure-Konzentration die Karbonathärte gesenkt wird
- wenn bei gleichbleibender Karbonathärte die CO2-und damit die Kohlensäure-Konzentration erhöht wird
- der pH-Wert steigt
- wenn bei gleicher Kohlensäure-Konzentration die Karbonathärte erhöht wird
- wenn bei gleichbleibender Karbonathärte die CO2-und damit die Kohlensäure-Konzentration gesenkt wird
- wenn sowohl die Kohlensäure-, als auch die Hydrogencarbonat-Konzentration in gleichem Stoffmengen verhältnis sinkt oder steigt
Der pH-Wert bleibt dagegen unverändert.
Es ist daher für den pH-Wert völlig unerheblich, wie die Hydrogencarbonat-Konzentration im Wasser verändert wird. Im Falle der verminderung also ob durch Entcarbonisierung mittels Mineralsäure oder Teilentsalzung per Kationentauscher, durch vollentsalzung per Umkehrosmose oder Ionentauscher.
Je nach Ausgangswasser und Arbeitsbedingungen weist Umkehrosmose-Permeat eine Karbonathärte zwischen nahezu 0 und einem Grad dKH auf.
Folglich gibt es auch weder einen Mechanismus, der verhindern kann, dass sich in oder mit Umkehrosmose-Permeat der pH-Wert unter 7,2 einstellt oder einstellen lässt, noch wird die These durch Messungen bestätigt.
Mit und in Umkehrosmose-Permeat lässt sich ohne Weiteres ein pH-Wert unter 7,2 einstellen. Bereits praxisübliche CO2-Konzentrationen genügen dazu. Aber vielleicht ist die Ansäuerung durch natürlicherweise durch aerobe Atmungsprozesse entstehde Kohlensäure bereits ein Hilfsmittel bei AquaRichtig.